Sexualität als Religion

Zeit für steile Thesen. Ich möchte im folgenden die Idee vorstellen, Sex als religiöses Phänomen zu betrachten. Ich nehme dazu einen religionssoziologischen Blick ein. Ende des 19. Jahrhunderts fragte sich Emile Durkheim, woran es liegen mag, dass man Religion noch in jedem Erdenwinkel finden lasse. Als a-religiöser Mensch, der er war, suchte er nach einer mehr oder minder natürlichen Erklärung, die ohne Bezüge auf höhere Wesen auskommt. Ebenso will ich Sexualität betrachten, weil ich meine, dass es hier Parallelen gibt. Ich glaube zudem, dass diese Sichtweise auch etwas über das Männerleben aussagt. Männer sind gewissermaßen die “Laien”, die einfachen Gläubigen der Religion Sex, während Frauen ihre Priesterinnen sind.

Eine überwältigende Kraft

Durkheim fragte sich am Ende des 19. Jahrhunderts, was den Menschen die Idee einer höheren, sie überwältigenden Kraft plausibel machen würde. Dazu zog er ethnografische Aufzeichnungen über Ureinwohner Australiens heran und analysierte die Rituale dieser Leute. Er kam zu dem Schluss, dass die jeweils angebetete höhere Macht eigentlich die Gesellschaft sei. Warum? Es war die Stärke des Kollektivs, die im Ritual überwältigend erlebt worden ist. Die von ihm betrachteten religiösen Rituale waren rauschhafte Feste, bei denen die Teilnehmer in heftige Ekstase gerieten – hier wäre auch die erste Brücke zum Sex. Denn auch hier spielt Ekstase eine Rolle. Auslöser der Ekstaste war bei den Ureinwohnern freilich das sinnliche Erlebnis der Gemeinschaft und ihrer Stärke.

Auch Sex erzeugt Ekstase und Rausch. Und auch hier zeigt sich gewissermaßen eine höhere Kraft, die der Einzelne nicht kontrolliert und die ihn überwältigt. Jeder ist dem Trieb letztlich ausgeliefert. Wir mögen ihn wohl kontrollieren, aber wir können ihn nicht wirklich abschalten. Er bleibt und drängt auch oft genug zum Handeln. Wo er seine Erfüllung findet, führt er – idealerweise – in den Rausch, also zu einem enthemmten Handeln, zu einer verminderten Bewusstheit und zu einem körperlichen Lustempfinden. Jenseits sexueller Aktivität bleibt die Faszination. Begehren drängt sich beim Anblick Anderer dann und wann in den Alltag. Ein Körper zieht den Blick an und erzeugt Sehnsüchte, oft genug auch dann, wenn es eigentlich nicht in den Plan passt. Man zwingt das Begehren nieder, aber nur zeitweilig.

Das Heilige

Aufgrund seiner Analysen kam Durkheim zu der Unterscheidung zwischen dem Heiligen und dem Profanen. Das Profane, leicht erkennbar, ist die Welt des Alltags. Das umfasst die Routinen, das Gewöhnliche, oft Langweilige, die Pflichten und Mühen und Verzichte aufgrund der Sorge um die Existenz. Das Heilige ist dagegen der Ort der höheren Macht, die nicht an die Alltagsregeln gebunden ist. Das Heilige sprengt die Ketten des Alltages. Darum ist es auch zerstörerisch und darum muss der Zugang zum Heiligen reguliert werden. Es ist von Verboten umstellt, man darf sich ihm einfach nicht nähern.

Durkheim beschrieb die schiere Kraft des Kollektivs als Ursprung der Idee des Göttlichen. Diese Kraft, so schrieb er, tobte sich zuweilen im Straßenmob aus, der im Gewaltrausch die individuellen Hemmungen beiseite räumte. Dieses Beispiel zeigt, dass das Heilige gefährlich werden kann, wenn es in den Alltag einbricht. Eben deshalb finden Religionen einen Weg, es zu bändigen.

Auch die Sexualität ist zerstörerisch, kann sie jedenfalls sein. Sie treibt uns dazu, Grenzen zu überschreiten. Wir verlassen unsere Herkunftsfamilien, verlassen also gewohnte Bahnen. Das mag noch produktiv sein. Aber unmittelbar ausgelebte Lust kann Beziehungen zerstören. Ginge jeder ungezügelt seinen spontanen Triebregungen nach, würden noch mehr Ehen und Freundschaften zerbrechen. Also muss auch der Rausch der Sexualität reguliert werden, damit er die sozialen Strukturen nicht sprengt. Diese Regulierung wiederum zieht nicht einfach einen Zaun. Sie sorgt auch für einen Zugang zum “Heiligen”. Die Ureinwohner mussten sich von Zeit zu Zeit sich vergewissern, dass sie ein Kollektiv sind. Dazu hatten sie ihre religiösen Rituale. Der Mensch braucht von Zeit zu Zeit Sex (wenn auch nciht aus gesellschaftlicher Funktion heraus). Also muss man ihm den Zugang dahin öffnen.

Weibliche Priesterschaft

Noch jede Gesellschaft hat Sexualität reguliert und selbst die Utopie der freien Liebe war Regeln unterworfen. Die Idee der komplett freien Sexualität ist wirklichkeitsfern. Immer ist Sexualität auch auf gesellschaftliche Ordnung hin abgestimmt.

So auch heute. Kaum jemand kann seinen Impulsen frei nachgeben, da es Verhaltensregeln gibt. Es gibt Regeln der Kontaktanbahnung. Ferner gibt es Regeln für die Wahrung von Grenzen. Wo solche Regeln übertreten wird, gibt es mindestens Ärger, wenn nicht gar einen Skandal. Und hier kommt unser Dauerthema Feminismus ins Spiel. Der Feminismus unserer Zeit arbeitet sich auffällig stark an der Sexualität ab. Im Grunde definiert er immer wieder sehr enge Zugangsregeln. So beansprucht der Feminismus die Deutungshoheit darüber, wann eine Kontaktaufnahme legitim und wann sie eine Grenzverletzung, vulgo “sexistischer Übergriff” ist. In den USA treibt dies bedenkliche Blüten, weil da mittlerweile der einfache Konsens nicht ausreicht. Die Partnerin müsse schon sehr deutlich ihre Einwilligung geben. Alle möglichen Handlungen werden durch diese Art des Feminismus a) als sexuell klassifiziert und b) nach erlaubt und verboten eingeteilt. Diese letztere Einteilung ist radikal und wird durch Skandalisierung vorgenommen wie auch sanktioniert. Ein schlichtes “Gut/Böse”- Schema plättet jede Differenzierung, mit dem die Kontaktaufnahme nunmehr keine Form der Aushandlung zwischen Mann und Frau ist, sondern eine hierarchische Beziehung wird: Er stellt quasi den Antrag, über den sie unbestritten entscheiden möchte. Damit will sie es sein, die dem Manne den Zugang zum “Heiligen” ge- oder verwehrt.  Sie schwingt sich zur Hüterin des Heiligen auf und sie ist es damit, die dem Manne den erotischen Rausch ermöglicht. Kurioserweise sorgt das dafür, dass sich alle Blicke auf die Frau richten, da sexuelle Kontakte dann ja allein von ihr abhängen. Sie zieht die Aufmerksamkeit stark auf sich, auch wenn sie anderersits gar nicht möchte, dass ihre Person pausenlos erotisiert wird.

Vielleicht passt diese – noch unvollständige – Deutung ganz gut zu dem Phänomen, dass heute gerne junge, attraktive Frauen als Protagonistinnen des Feminismus aktiv werden. Es ist vermutlich kein Wunder, dass genau dieser Typ Feministin auch so massiv auf Sexualität fokussiert ist. Angesichts ihrer Attraktivität haben sie auch die Möglichkeit, Begehren zu wecken, um es dann ansatzweise zu regulieren.

Edit: Gesagt werden muss, dass ich meine, der Feminismus monopolisiert die Deutung über die Sexualität. Zumindest strebt der Feminismus das an. Eben deshalb stattet er die Frauen auch mit der Priesterrolle aus. Zur Religion wird Sexualität dann, wenn es diese strikte Teilung in Laien und Priester gibt und letztere eine kanonisierte Lehre vertreten bzw. kanonisierte Gebote formulieren.

 

 

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16 Responses to Sexualität als Religion

  1. >Immer ist Sexualität auch auf gesellschaftliche Ordnung hin abgestimmt.
    Darunter kann ich mir wenig vorstellen. Kannst du das etwas näher erläutern?

    >Es gibt Regeln der Kontaktanbahnung. Ferner gibt es Regeln für die Wahrung von Grenzen.
    Sollte nicht eine Analyse dieser Regeln die These von den Frauen als Priesterinnen der Sexualität stützen?

    >Der Feminismus unserer Zeit arbeitet sich auffällig stark an der Sexualität ab.
    Mag sein, doch stützt allein die Stärke der Beschränkung die These von den Frauen als Priesterinnen der Sexualität?

    >Er stellt quasi den Antrag, über den sie unbestritten entscheiden möchte.
    ….. was ja dem traditionellen Rollenverständnis entspricht.

    >Damit will sie es sein, die dem Manne den Zugang zum “Heiligen” ge- oder verwehrt.
    Dafür sehe ich die Begründung noch nicht.

    >Angesichts ihrer Attraktivität haben sie auch die Möglichkeit, Begehren zu wecken, um es dann ansatzweise zu regulieren.

    Das mag ein Indiz sein für die Ausübung von Macht, was hat das mit der These von den Frauen als Priesterinnen der Sexualität zu tun?

    >der Feminismus monopolisiert die Deutung über die Sexualität.
    Das stimmt, aber inwiefern charakterisiert das das Monopol?

    >Zur Religion wird Sexualität dann, wenn es diese strikte Teilung in Laien und Priester gibt und letztere eine kanonisierte Lehre vertreten bzw. kanonisierte Gebote formulieren.

    Nein, nein … das normative Moment des Heiligen fehlt komplett.

    Ich finde den post eher unvollständig.

    • suwasu says:

      Der post IST unvollständig 😉 Er dient lediglich der Entwicklung einer Idee.

      “>Immer ist Sexualität auch auf gesellschaftliche Ordnung hin abgestimmt.
      Darunter kann ich mir wenig vorstellen. Kannst du das etwas näher erläutern?”

      Es gibt immer eine Sexualmoral. Diese ist verbunden mit Geschlechterrollen. Die Sexualmoral schützt die Familie als soziale Struktur. Sexualität wird auch staatlich kontrolliert durch Gesetze. Solche Regeln, ob Moral oder Gesetz, schaffen getrennte Sphären: den Ort legitimer Sexualität (früher vorrangig die Ehe) und Orte, an denen Sexualität zu unterdrücken ist (Öffentlichkeit, früher auch: außereheliche Kontakte zu Frauen, Orte der Arbeit usw.)

      “Der Feminismus unserer Zeit arbeitet sich auffällig stark an der Sexualität ab.
      Mag sein, doch stützt allein die Stärke der Beschränkung die These von den Frauen als Priesterinnen der Sexualität?”

      Der Feminismus arbeitet an einer restriktiven Normierung der Sexualität. Mit Konzepten wie “Definitionsmacht” nimmt er Männern das Recht, über legitime Sexualität mitzuentscheiden und weist dieses Recht allein den Frauen zu. Frauen bestimmen, wann es zum Sex kommt und Frauen bestimmen, nach welchen Regeln es dazu kommt. Zumindest in der Traumwelt des Feminismus.

  2. Eine zweiter Punkt:

    Angenommen deine These wäre wahr. Dann müßten vom Feminismus beeinflußte Frauen Sexualität in JEDEM Fall wie von dir beschrieben behandeln, richtig?

    Wenn es so ist, dann müßten Frauen ungeschminkten Sexangeboten von Paaren genauso gegenüberstehen wie den von Männern, richtig?

    Und tun sie das? Nein. Ich hab viel auf online-dating-sites experimentiert und kann sagen, daß Frauen bei Sexangeboten von Paaren etwa ähnlich reagieren wie Schwule auf Sexangebote von Schwulen.

    Und das widerspricht doch deiner These und du selbst kannst es nachprüfen.

    • suwasu says:

      “Wenn es so ist, dann müßten Frauen ungeschminkten Sexangeboten von Paaren genauso gegenüberstehen wie den von Männern, richtig? ”

      Ich sehe den Widerspruch nicht. Da ist ja eine Mit-Priesterin bei. Das Paar bringt eine weitere Frau mit ins Spiel. Zweitens bezweifle ich sehr, dass auf den Datingseiten feministische Frauen unterwegs sind, jedenfalls in der Masse. Das widerspricht absolut meinen Erfahrungen.

      • >Ich sehe den Widerspruch nicht. Da ist ja eine Mit-Priesterin bei.

        Nein, das geht argumentationsthechnisch nicht. Was du gerade machst,ist ein Zirkelschluss.

        >Zweitens bezweifle ich sehr, dass auf den Datingseiten feministische Frauen unterwegs sind, jedenfalls in der Masse.

        Ok, das heißt du beschränkst deine These auf überzeugte Feministinnen? Das war mir vorher nicht so klar.

        Mein Argument mit den Paaren zeigt übrigens auch, daß das von Christian so gern gebrachte Argument der evolutionäre höheren Kosten von Sex für Frauen falsch ist.

      • suwasu says:

        “Ok, das heißt du beschränkst deine These auf überzeugte Feministinnen? Das war mir vorher nicht so klar.”

        Ja, das tue ich. Sagen wir mal so: einen gewissen kultischen Aspekt hat Sex an sich. Aber eine echte Regelung des Zugangs zum “Heiligen” braucht auch eine Lehre und eine Zuschreibung der Rollen von Laien und Experten. Und derart zentralisiert wird Sex vor allem im Feminismus.

        OK, das klingt alles noch zu blumig.

        Was der Feminismus tut: Er thematisiert Sexualität. Er stellt recht strikte Regeln auf, wann Sex erlaubt oder verboten ist. MIt der “Definitionsmacht” gibt er den Frauen die Hoheit darüber, erlaubtes und verbotenes zu bestimmen. Zugleich operiert er wie das Christentum mit einer Art von Sündenfall, der Erlösung notwendig mache: Die Einrichtung des Patriarchats ist sozusagen die Vertreibung aus dem Paradies, der Grundfehler. Die Männer tragen das als Erbsünde mit sich herum. Als “Sünder” werden sie laufend beschrieben, nämlich als Wesen, die Frauen diskriminieren und generell eine frauenfeindliche Sexualität haben. Sie können von dieser Sünde nur durch Bekehrung zum rechten Glauben befreit werden, siehe die Regeln, wann man ein anerkannter Ally ist. Diese Regeln legt der Feminismus fest, verkörpert durch Frauen, die diesbezüglich auch eine unbestrittene Deutungshoheit beanspruchen. Natürlich ist “Religion” etwas metaphernhaft, aber diese strikte Schwarz-Weiß-Rhetorik mit hoher Wertungs-Aufladung erinnert schon an religiöse Rhetorik.

      • “Mein Argument mit den Paaren zeigt übrigens auch, daß das von Christian so gern gebrachte Argument der evolutionäre höheren Kosten von Sex für Frauen falsch ist.”

        Nur wenn deine Stichprobe sowohl bezüglich der Frauen einer Zufallsauswahl entspricht und damit überhaupt repräsentativ ist, was bei Frauen auf Sexkontaktportalen schon nicht der Fall ist.

  3. Ja, ok – jetzt versteh ich es schon besser, schlage aber weiterhin vor, den Inhalt der Regeln zu Rate zu ziehen. Und die von Feministen völlig chaotisch und unlogisch geführte Sexismusdebatte, um den Schutz verletztlicher Weiblichkeit (Sexualität steht meiner Ansicht nach im Zentrum des Verständnis von Weiblichkeit) erinnert mich mehr an Kafkas “Vor dem Gesetz”.

    An sich finde ich deinen Plan zu einer Theorie gut: Du fragst dich, was im Raum des Verstehens durch feministische Praxis erzeugt wird, ohne daß es von Feministen auch intendiert werden muß. Den Plan würde ich ändern und weniger in Richtung Religion gehen, sondern mehr in Richtung von Kafkas Novelle – und mich dann fragen: Qui bono? .

    Die Beschreibung von Analogien zwischen Religion und feministisch geregeltem Zugang zu Sexualität mag verführerisch sein, aber irgendwie willkürlich: Auch Ally können Feministinnen nicht im Halbkreis vor sich hinknien lassen und durchvögeln.

    Wäre Kafkas Gesetz eine brauchbare Alternative?

  4. Lustig, was sich Soziologen so alles ausdenken können. Der Vergleich mit Religion hinkt meiner Meinung nach. Es ist auch immer wieder lustig zu erleben, was sich atheistische Denker in bezug auf Religion ausdenken. Ihnen geht der Draht zu Religiosität ab, so daß ihre Deutungen immer etwas von Delegitimierung und Trivialisierung haben. Sie werden der Materie einfach nicht gerecht.

    Bei Durkheim wird Religion offenbar vollständig sozialisiert. Beim großen Philosophen Christian wird Religion durch Herrschaftsinteresse begründet. Religion ist letztlich immer eine Prothese für irdische Belange. Und da liegt des Pudels Kern. (Ideologischen) Atheisten geht einfach das Verständnis für das rein subjektive Bedürfnis des Menschen nach Religiosität ab.

    Deine irdischen Ausführungen bzgl. Feminismus sind sicherlich im großen und ganzen stichhaltig, aber der Vergleich mit Religion erschließt sich mir nicht richtig. Man sollte statt Religion allgemein lieber von den konfessionellen Institutionen sprechen. So wird eher ein Schuh draus. Denn jeder Mensch kann seine Religiosität und Sexualität frei wählen und leben. Kirchen und Feministinnen oder Moralapostel haben allerdings ein Interesse an Machtausübung und Reglementierung von Religiosität und Sexualität.

    Die Strukturen des Machtinteresses und der Fremdbestimmung findet man aber letztlich überall, in allen Bereichen des Lebens. Kirchenleute und Feministinnen okkupieren quasi ihre Themengebiete und machen einen auf Usurpator.

    Aber dafür haben wir ja die Aufklärung, daß man sich von sowas emanzipieren kann. Aber wie gesagt, diese Machtspielchen findet man überall, auch in der Politik, in der Erziehung von Kindern, überall gibt es Leute, die versuchen Herrschaft auszuüben.

    Da kann ich ja gleich mal auf die Homepage von Alice Miller verweisen. 🙂

    http://www.alice-miller.com

    • suwasu says:

      “Man sollte statt Religion allgemein lieber von den konfessionellen Institutionen sprechen.”

      Da geht ein bisschen der Witz verloren. Durkheim war sicher Atheist, aber kein ideologischer. Er war lediglich neugierig und suchte nach Gemeinsamkeiten.

      Natürlich kann ein Atheist mit schlichter Verweltlichung der Religion nicht mal ansatzweise ergründen, was es heißt, zu glauben. Das kann er dann auch verwechseln mit dem “Wissen” darüber, dass Religion nichts mehr sei als ideologische Verbrämung der Herrschaft etc. Damit irrt er gewaltig.

      Es ist übrigens ein falscher Eindruck, dass die Soziologen Religion trivialisieren. Bei Thomas Luckmann mag das auf dem ersten Blick so klingen. Auf dem zweiten Blick macht er es umgekehrt: er zeigt, dass das Leben eine religiöse Dimension hat.

      Es gibt nicht nur Ideologen in der Zunft. Ich würde mal sagen, da wird ein 68er-Zerrbild überbewertet – aber wie auch anders, wenn keiner der Kritiker mit realen Vertretern redet ^^

  5. “Gesagt werden muss, dass ich meine, der Feminismus monopolisiert die Deutung über die Sexualität. Zumindest strebt der Feminismus das an. Eben deshalb stattet er die Frauen auch mit der Priesterrolle aus.”

    Wann waren Frauen denn nicht die Torwächter des (freiwilligen) Sex?

    Natürlich kann man das noch zusätzlich mystisch/religiös/kulturell überhöhen, aber letztendlich ist es eine Ausgestaltung davon, dass bei Säugetieren Eier teuer und Sperma billig sind

    • suwasu says:

      Gut, ich denke, eine Gatekeeper-Funktion hatten Frauen sicher schon immer.
      Die Frage ist nur, wie stark diese Funktion in der Gesellschaft unterstützt oder gehemmt wird. Also in Zeiten, wo Eltern Vernunftehen arrangiert haben für ihre Kinder, war die Gatekeeper-Funktion unterlaufen. Sie konnte bei der Partnerwahl nicht ausgespielt werden.

      In einer liberalen Gesellschaft wie der unseren könnte sich die Gatekeeper-Funktion dagegen stärker durchsetzen.

      Allerdings muss man hier zwei Ebenen unterscheiden: Einerseits selektieren Frauen frei, mit wem sie etwas anfangen. Aber andererseits müssen sie nicht unbedingt die Flirtregeln bestimmen. Die könnten trotzdem ein Aushandlungsprozess bleiben. Wäre es nicht so, würden wir uns gar nicht über “rape culture” und überzogene Sexismus-Vorwürfe a la “Aufschrei” empören können. Wir empören uns aber, weil wir es als Männer nicht akzeptieren, dass die Frau alleine bestimmt, wann ein Annäherungsversuch als “übergriffig” oder skandalös bestimmt. Hier erwarten wir, dass über solche Dinge frei geredet wird. Wir bestimmen nicht mit, ob etwas passiert, aber wir wollen mitbestimmen, wie Anbahnungsversuche gedeutet werden.

      Der Feminismus überhöht die Gatekeeper-Rolle der Frau, weil sie nun auch noch urteilen darf. Sie entscheidet jetzt auch noch über “Gut” und “Böse” und entwickelt Verhaltenskodizes. Und das vollkommen einseitig.

      Das spielt dann mit dem Umstand
      “dass bei Säugetieren Eier teuer und Sperma billig sind”,
      aber es radikalisiert diesen Unterschied, weil hier kein Handel mehr stattfindet, sondern eine einseitige Preisfestlegung. Das Ei ist nicht einfach nur teuer, sondern es ist “heilig”.

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