Voll ver-stockt: Was ich über den Feminismus denke

Der Frontberichterstatter hat mit einem Stöckchen geworfen, das ich jetzt kurz aufgreifen will. Ich kann Kais Fragen freilich nicht so informiert beantworten, wie vielleicht Arne Hoffmann tut. Aber ein Versuch ist es ja wert. Vermutlich verrät er mehr über mich als über den Feminismus.

Ein Dank geht an Schoppe wegen der Ermutigung, die Fragen zu beantworten.

Welche große Errungenschaft der letzten Welle des Feminismus empfindest Du als wichtig? Welche als überzogen?

Meine Kenntnis reicht nicht aus, um den Feminismus in Wellen einteilen zu können. Es fällt mir daher schwer, eine “letzte Welle” auszumachen, die man inhaltlich als homogen einstufen könnte. Auch kann ich schwer einschätzen, was der Feminismus bewirkt hat. In meinen Augen ist der derzeitige Feminismus eher institutionalisiert und weniger eine Bewegung. Er hat Gestalt angenommen in Form von Gender-Professuren, Gleichstellungsbeauftragten und dergleichen mehr. In den Parteien ist der Feminismus weniger über konkrete Stellen als durch Quotenregelungen und durch bestimmte Vertreterinnen präsent. Aus der Sicht des Feminismus ist vielleicht gerade dieser Marsch durch die Institutionen eine Errungenschaft. Vielleicht ist es sogar die wesentliche Errungenschaft. Andere politische Wohltaten kann ich nicht erkennen, was auch am Informationsmangel liegt.

 

Welche feministische Forderung (z. B. einer politischen Partei) der letzten 10 Jahre hättest Du auch noch aus heutiger Sicht voll und ganz unterstützen können

Wie in meinem Blog unschwer zu erkennen ist, halte ich das Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für wichtig und nicht für eine rein ideologische Spielwiese. Ich meine, dass sich hier ganz praktische Alltagsprobleme stellen, die dank der gegenwärtigen Umstände vor allem Frauen betreffen – sie betreffen letztlich aber auch Väter. Ich halte es daher für richtig, diesbezüglich auch “Frauen”-Politik zu machen. Wenn ich mir die Diskussionen um die “Pille danach” anschaue (z.B. bei Erzaehlmirnix), dann denke ich, dass es auch hier berechtigte Fraueninteressen gibt, die politisch bislang umkämpft sind. Ohnehin ist die Diskussion um die Frauenrolle oft sehr emotional. Meiner Erfahrung nach wird selten in Deutschland etwas heftiger diskutiert als die Frage “Hausfrau oder Karrierefrau”. Diese Debatte mit all ihrer Heftigkeit straft in meinen Augen jene Lügen, die meinen, Geschlechterrollen hätten keinerlei Bedeutung für den Alltag im Leben einer Frau. Freilich stellt sich hier die Frage, inwieweit das auch ein politisches Thema ist oder ob es eher um eine kulturelle Auseinandersetzung geht.

Es wird niemanden wundern, dass ich allerdings die überzogenen Herrschaftsunterstellungen des Feminismus nicht teilen kann. Ich bin mir daher auch nicht sicher, ob ich in den von mir genannten Fragen unbedingt mit Feministinnen kooperieren möchte.

Welche aktuellen feministischen Forderungen findest Du richtig? Gibt es etwas das der Feminismus Deiner Meinung nach noch für Frauen fordern sollte/könnte und was natürlich für Dich gerechtfertigt ist?

Möglicherweise tritt der aktuelle Feminismus nur durch Gaga-Forderungen in das Licht der Öffentlichkeit, also mit solchen Dingen, die hinreichend Erstaunen und Empörung hervorrufen, um eine spannende Schlagzeile zu generieren. Ich weiß daher nicht, ob es moderate feministische Forderungen derzeit gibt. Ich sehe da prestigeträchtige Forderungen nach Quote oder puritanische Verbotspolitik, etwa der Kampf gegen die Prostitution.

Mit welcher bekannten Feministin glaubst Du, könntest Du ein Bier trinken gehen und Dich mit ihr zivilisiert über Männerpolitik zu unterhalten?Mit welcher Feministin könntest Du das garantiert nicht? Ein Beispiel reicht, gerne aber auch mehr.

Hier gilt eigentlich das Gleiche wie bei der Frage zuvor. Meine Wahrnehmung speist sich aus den Medien und dort dominieren die schrillen Figuren. Strick, Wieczorek, Schwarzer oder Schramm – das sind alles keine Leute, mit denen ich gerne ein Bier trinken möchte. Möglicherweise ist diese Frage von Kai falsch formuliert, weil denkbare einflussreichere, aber weniger krawallige Feministinnen nicht bekannt werden. Sie bieten einfach keinen Stoff für knallige Mediengeschichten.

Hier kommt aber noch ein persönliches “Problem” für mich hinzu. Ich reagiere auf das Thema Feminismus oft eher emotional. Zwar tobe ich meine Gefühle nicht aus durch Rants und Beleidigungen. Aber innerlich mache ich eben doch schon zu. Für eine ruhige Konfrontation mit der Gedankenwelt einer Feministin fehlt mir derzeit die Distanz. Ein gemeinsamer Abend beim Bier wäre also etwas, was mich vermutlich nur aufregen würde. Insofern muss ich gestehen, dass ich dergleichen nicht in Betracht ziehe. Das mag auch eine Schwäche sein, als positiv sehe ich es jedenfalls nicht an.

Gibt es feministische Gruppe die Du, evtl. auch nur in Teilen, unterstützen könntest?

Welche gibt es denn? Wieder einmal gilt: ich kenne nur die medial präsenten Gruppen. Femen. Teile der Piraten.

Sodann kenne ich eben als Verkörperung des Feminismus nur entsprechende Professorinnen und Inhaberinnen spezifischer Ämter.

Was ist Deiner Meinung nach der größte Fehler des Feminismus gewesen?

Da gibt es eine ganze Reihe. Es ist falsch, das Geschlechterverhältnis durchgängig als Machtverhältnis zu beschreiben. Richtigerweise gehört Macht in jede soziale Beziehung. Aber das Machtthema wurde vom Feminismus zum wesentlichen Merkmal erhoben, gerade weil er eine radikale Dichotomie zwischen Männermacht und Frauen-Ohnmacht gezeichnet hatte. Das beruht auf einem Machtbegriff, der Macht als Gegenstand denkt, den einer besitzen kann und der den anderen darum nicht zugänglich ist. Ausgeblendet wird, dass Macht in Beziehungen entsteht, also aus der Beziehung heraus jede Seite die eine oder andere Machtchance gewinnt. Der vom Feminismus beschriebene radikale Gegensatz ist unrealistisch und begrifflich gesehen beziehungsblind. Zudem ist diese Sichtweise Gift für Beziehungen, weil schließlich nur nur das Misstrauen regiert, alles diene irgendwie der Durchmachtung der Beziehung.

Der Feminismus hat also einerseits begrifflich extreme Schwächen. Er ist – als Theorie- nicht mehr in der Lage, sich für die empirischen Wirklichkeiten zu öffnen. Begrifflich ist er naiv und unreflektiert. Andererseits führen diese Fehlkonstruktionen zu einer Regulierungswut in Gestalt von Sprach- und Umgangsregeln, so dass die Beziehung zwischen Mann und Frau, gerade auch die Intimbeziehung, gewissermaßen bürokratisiert wird. Bestes Beispiel ist die amerikanische Idee des konsentierten Sexes, wobei selbst der Konsens noch genau definiert wird. Bevor das Paar ins Schlafzimmer kann, soll es also zu einer quasiparlamentarischen Verhandlung kommen über das, was dort passieren darf, kann und soll. Am Rande dieser Verhandlung hochen die Diskurswächter, die über die Einhaltung der Verfahrensregeln wachen. Ein solcher Feminismus schafft Überregulierungen, zu allem Überfluss auch noch eine solche, für die er sich als alleinige Instanz setzt. Das ist autoritär und freiheitsfeindlich, nicht zuletzt auch ein wenig infantil. In geradezu kindlichem Trotz beanspruchen Feministinnen die ausschließliche Deutungshoheit, wann etwas verletzend, beleidigend, sexistisch oder anderes ist und kümmern sich wenig darum, wie andere (insbesondere Männer) diese Dinge beurteilen. Diese Koppelung aus Sturheit, Alleinvertretungsanspruch und strikter Durchregulierung selbst der alltäglichsten Dinge ist ein Grundproblem des Feminismus.

Welche Änderungen im Feminismus würdest Du vornehmen, damit er für Dich „akzeptabler“ erscheint?

Die oben beschriebene Haltung müsste grundsätzlich aufgegeben werden. Feminismus dürfte nicht mehr den Anspruch erheben, die Lebensführung von Männern und Frauen wie auch die Intimbeziehungen zwischen ihnen regieren zu wollen. Feminismus müsste eher einen pragmatisch- politischen Ansatz verfolgen. Zudem müsste er sich dafür öffnen, dass er nicht die einzige Welterklärung ist. Zweitens müsste sich der Feminismus verabschieden von der Idee, dass sozialwissenschaftliche Theorien die absolute Wahrheit hervorbringen könnten. Drittens müsste er, wenn sie schon solche Theorien nutzen, auch begrifflich an sich arbeiten und die Fachdiskussion ernst nehmen, etwa zum Thema Macht. Im Grunde müsste der Feminismus sich komplett neu erfinden.

 

Weitere Stock-Beiträge bei:

Christian, Arne, Adrian, Tom, Graublau, Schoppe

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9 Responses to Voll ver-stockt: Was ich über den Feminismus denke

  1. Pingback: Kai’s Blogstock | Mein Senf

  2. Pingback: Kais Blogstöckchen: Sag, wie hältst du es mit dem Feminismus? | Alles Evolution

  3. tom174 says:

    dein link zu schoppe is kaputt 😉

  4. Seitenblick says:

    >Ausgeblendet wird, dass Macht in Beziehungen entsteht, also aus der Beziehung heraus jede Seite die eine oder andere Machtchance gewinnt.

    und die Fachdiskussion ernst nehmen, etwa zum Thema Macht.

    Die letzte Bemerkung macht mich neugierig. Hast du da speziell eine soziologische Diskussion vor Augen?
    Ich bin ja schon recht lange aus universitären soziologischen Diskussionen raus. Popitz’ Phänomene der Macht fällt mir spontan noch ein, aber das fand ich nicht so berauschend. Bei Foucault fand ich Passagen, in denen er für meinem Geschmack Machtverhältnisse als dynamisch und u.U. je nach Situation und Konstellation wechselnd beschrieb. Da kam mir manches wie ein dynamisierter Nietzsche vor.
    Mehr Input zu dem Thema fand ich bei psychologischen Ansätzen wie Transaktionsanalyse, Kommunikationsanalyse oder – nicht zuletzt – systemischen Ansätzen.
    (Ich behaupte nebenbei, dass systemische Ansätze und Radikalfeminismus sich ausschließen. Und zwar deshalb, weil die Menge der kognitiven Dissonanzen, die wir aushalten, endlich ist. Sprich – wer manches verstanden hat, kann nicht mehr so kleinlich-schwarzweiße, monokausale Weltbilder haben wie manche Feministinnen.)

    Deshalb meine Frage: Wie steht es denn inzwischen so mit der Fachdiskussion zum Thema Macht?

    Ein Link oder Literaturtipp wäre willkommen. Aber vielleicht wäre das auch etwas für einen eigenen Blogbeitrag? Mindestens einen Leser gäbe es … ;-).

    • suwasu says:

      Hallo Seitenblick, ich bin da auch nicht ganz auf der Höhe der Zeit und denke an die gleichen Autoren, zuzüglich Giddens vielleicht noch.
      Also richtig modern kann ich da auch nicht sein. Ich muss mal in meinen Texten herumkramen. Ich würde aber mal glatt behaupten, Typen wie Giddens, Foucault, Luhmann und so kann man jetzt nicht einfach ignorieren, wenn man etwas über Macht behaupten will.

      Ich denke mal über das Thema nach.

  5. Seitenblick says:

    edit:
    statt
    >so kleinlich-schwarzweiße
    sollte es heißen
    >so kleinkindlich-schwarzweiße

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