Selbstbestimmung vs. Biologismus

Ich werde nie verstehen, warum trotz besseren Wissens immer wieder diese windschiefe und missverständliche Metaphorik von “Wettbewerb” und “Konkurrenz” benutzt wird. Oben wird ja im Wikipedia-Zitat diese Einschränkung auch gemacht, dass Gene keine Ziele verfolgen. Aber warum kann man dann keinen adäquaten sprachlichen Ausdruck dafür finden, was eigentlich genau passiert?

Wenn ich den Artikel von Christian insgesamt deute, dann geht es hier gar nicht so sehr um Verhaltenserklärungen. Zentral ist dagegen die Ausrichtung der Selektion und damit die Verschiebung von “Erhaltung der Art” hin zu individuellen Merkmalen, die sich durchsetzen. Das klingt wenig nach Herleitung von Verhalten, sondern löst vorrangig die Idee von der Gattung auf als Merkmalsträger.

 Bisher können die biologischen Theorien denke ich vieles am menschlichen Verhalten gerade in Kombination mit Spieletheorie am besten erklären – nicht einzelne Handlungen oder Personen in der Geschichte, aber menschliches Verhalten an sich.

Jetzt kommt also noch die Spieltheorie hinzu und nun haben sich zwei moderne Reduktionismen getroffen: Der Biologismus und der Ökonomismus. Freilich gelingt das nur unter Ausblendung der Prämissen des Ökonomismus, welcher an einem egoistischen, aber bewusst kalkulierendem Individuum ansetzt. Der homo ökonomicus kann frei wählen, abgesehen davon, dass er von Natur aus immer seinen Vorteil sucht.

Wider die Expertokratie

Ich wiederhole an dieser Stelle noch einmal meine wesentliche, wenn auch nicht wissenschaftsbasierte Kritik an diesen Dingen:

Das Unbehagen an solchen Theorien rührt daher, dass Experten sich anmaßen, alles über mich, meine Motive und mein Handeln zu wissen. Sie meinen es sogar besser zu wissen als ich. Wenn ich mich anders beschreibe, gilt das aus Sicht der Evolutionisten und Ökonomisten als “Rationalisierung” und “Selbstbetrug”. Man will mir also einreden, dass ich generell mich über meine Absichten täusche. Prinzipiell gehört es zu unserer Kultur, anzunehmen, dass man Selbsttäuschungen erlegen ist. Aber niemand würde behaupten, dass er sich in allem täuscht. Jeder nimmt letztlich für sich in Anspruch, doch auch einen authentischen Kern zu besitzen und sich selbst angemessen beschreiben zu können. Auch verteidigt letztlich Jeder seine eigene Selbstbeschreibung gegen Fremdbeschreibungen.

Das mag alles auch Selbsttäuschung sein. Das kann man so sehen. Wir können die Realität unserer Vorstellungen ohnehin schlecht absichern. Wir wissen nicht, ob wir uns alles nur einbilden oder nicht. Aber das ist am Ende nicht wichtig. Denn wenn wir vollkommen Einbildung sind (abgesehen von unseren Genen z.B.), dann haben wir nie einen richtigen Gedanken. Aber dann müssen wir wenigstens in diesem Sumpf der Selbsttäuschungen einen festen Punkt setzen. Wir müssen eine Prämisse machen, von der aus wir uns selbst modellieren, uns als Person entwerfen. Anderenfalls werden wir geisteskrank.

Freiheit zum Irrtum

Der Vorwurf der Rationalisierung durch unser Gefühlsleben und unser Denken ist zugleich das Zugeständnis, dass das Gehirn frei ist, etwas anderes zu denken, als uns die Gene vorgeben. Unser Gehirn “lügt” dann und erfindet Dinge, die so nicht existieren. Dann arbeitet es aber partiell autonom und benutzt Zeichen und Zeichenbeziehungen, die im biologistischen Sinne ja nicht real sind. Wenn das Gehirn aber diese Freiheit hat zu erfinden, dann hat unser Denken eine gewisse Freiheit gegenüber den Dingen. Da doch einiges an Entscheidungen durch Denken gefällt werden im modernen Denken, ergibt sich daraus eben auch eine gewisse Handlungsfreiheit.

Wenn ich mir den Wecker stelle, um pünktlich zur Arbeit zu kommen, dann folge ich einer Vernunft, einer Einsicht in die Regeln des Arbeitslebens und seines Zeitregimes. Wenn ich fachliche Entscheidungen treffe, benutze ich reine Denkgebilde als Grundlage dafür. Wenn ein Arzt eine Krankheit diagnostiziert, tut er das auf Basis des Fachwissens, auf Basis eines gedanklichen Konstruktes und nicht angetrieben durch Selektionserfolg und dergleichen.

Solche fachlichen Entscheidungen haben aber eine große Bedeutung für den modernen Alltag.

Selbstbestimmung und Anspruch auf Individualität

Doch davon abgesehen gehört es zur philosophischen Reife, anzuerkennen, dass Individuen eben selber bestimmen wollen, wer sie sind und was ihre Motive sind. Das ist ja auch das Problem des Genderismus, dass hier ebenfalls vermeintliche Experten zu wissen meinen, warum wir etwas tun. Sie unterstellen Männern stets ein Machtinteresse und zu Recht wehren sich Männer dagegen. Der Biologismus operiert nicht minder mit solchen Unterstellungen, mag er das beweisen können oder nicht. Auch er meint, dass Menschen lediglich tun, was ihrem Fortpflanzungserfolg dient und lässt nur wenig Spielraum für Individuelles. Auch er unterscheidet am Ende zwischen vermeintlichen und eigentlichen Motiven, die dann ganz simpel sein sollen: Selektion, Status, Konkurrenz usw.

Die Verwunderung ist dann immer groß, wenn viele Leute das so nicht akzeptieren, weil sie sich damit nicht hinreichend erfasst fühlen. Die schlichteren Gemüter und die Konservativen „erledigen“ diese Einwände mit dem Vorwurf des „Kulturmarxismus“. Wer die harten Fakten der Biologie nicht akzeptiere, muss quasi schon ein verkappter Genderist sein. Die einen verfolgen dabei schlicht eine politische Agenda, nämlich das Zurück zu traditioneller Arbeitsteilung der Geschlechter. Schließlich seien Frauen im Schnitt doch nicht so interessiert, so schlau, so kämpferisch, so sachorientiert wie Männer. Das legitimiert aufs Herrlichste ein Geschlechterbild aus der „guten alten Zeit“ und spielt letztlich mit Norm und Abweichung. Die Norm wird dabei biologisch begründet, so dass die Forderung nach dieser Arbeitsteilung bloß wie ein universell erstrebenswertes Zurück zur Natur wirkt. Dass sie eigentlich einfach bloß Interessen vertreten, wird damit eher verborgen. Sie naturalisieren ihre Präferenzen und geben sich den Anschein, bloß dem Naturgesetz zu diesen. Nur zeigt ja der Lebensstil vieler Menschen und sogar der Genderismus, dass man anders handeln und denken kann und dass es keinen Zwang gibt, traditionelle Männlichkeit oder Weiblichkeit zu leben.

Andere, weniger politisch orientierte Köpfe, zeigen sich schlicht naiv, weil sie die philosophische Tragweite nicht erkennen. Sie selbst sehen in der Biologie eine Möglichkeit, sich zu orientieren, warum sie als Mann so sind, wie sie sind. Dabei übersehen sie, dass Menschen dennoch verschieden sind und dass andere Menschen andere Präferenzen haben und dass sie deshalb eine Eichung auf die Annahmen der Evolutionstheorie ablehnen. Das geschieht letztlich aus gleichem Grunde, wie diese Leute zur Biologie greifen, um die Definitionshoheit des Feminismus zu brechen. In beiden Fällen wollen die Leute die Fremdbestimmung abwehren, die Anmaßung Einiger, wissen zu können, was mein Verhalten begründet und welchen Wert es hat.

Ich persönlich nehme mir die Freiheit, in diesem Punkt als Alltagsmensch mich nicht nach der Wissenschaft zu richten. Mir ist es im Alltag gleich, was irgendwelche Biologen über das Verhalten behaupten. Ich halte meinen Anspruch dagegen, selber zu wissen, was ich will und warum ich es will, selbst wenn ich anerkenne, dass Menschen in vielen Dingen biologischen und psychologischen Mustern folgen. Doch auf selbige lasse ich mich nicht reduzieren, denn eine solche Expertokratie der Identitätsbestimmung ist letztlich ein unfreies System. Ich werde aber kein unfreies System (Feminismus) durch ein anderes unfreies System (biologisch begründete Geschlechterordnung) ersetzen helfen. Ich werde im Alltag auch die Deutungshoheit irgendwelcher Wissenschaftler nicht akzeptieren. Das mag man ignorant finden. Ich nenne es Freiheit und Selbstbestimmung. Diese ist übrigens erst Grundlage dafür, wissenschaftlich arbeiten zu können, sprich: sich loslösen zu können von seinen ureigenen Interessen (z.B. Sex und Status), um zu objektiven Einsichten zu finden. Eine Wissenschaft, die sich nicht davon freimachen könnte, wäre nicht verlässlich.

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105 Responses to Selbstbestimmung vs. Biologismus

  1. @LoMi

    “Sie meinen es sogar besser zu wissen als ich. Wenn ich mich anders beschreibe, gilt das aus Sicht der Evolutionisten und Ökonomisten als “Rationalisierung” und “Selbstbetrug”. Man will mir also einreden, dass ich generell mich über meine Absichten täusche.”

    Eigentlich sagt er das nicht. Er sagt, daß, wenn man genug Handlungen von verschiedenen Menschen innerhalb eines längeren Zeitintervalls beobachtet, dann erkennbar wird, daß eine Mehrzahl von Handlungen der Sektion eines einzelnen Gens eher förderlich denn abträglich ist.

    Dies nennt er Erklärung, ohne jemals darüber nachzudenken, was eine Erklärung leistet, wie sich zwei Erklärungen unterscheiden, wie sie konkurrieren und wann wir sie verwerfen. Diese Aspekte blendet er völlig aus und in dieem Sinne ist eine Erklärung zirkulär: Weil er richtigerweise meint, daß das Gehirn den Geist erzeugt, glaubt er, daß “Übereinstimmung mit dem Gehirn”, expliziert, was eine Erklärung ist. Das ist es, was – unter anderem – vorausgesetzt wird, nicht aber die Wahrheit irgendwelcher evolutionärer oder biologischer Theorien.

    Das Ironische ist, daß die Neurophysiologie von C. “übersprungen” wird, und er gar nicht – wie er immer vorgibt – die empirischen papers der Biologen zur Meinungsbildung heranzieht, sondern sich von einem Philosophen – Dawkins – erklären läßt, was diese ganze Studien bedeuten. Entsprechend schluckt er – ohne es zu merken – eine Menge Philosophie mit hinunter, die in seinen posts kondensiert. Dem muß man nachgehen, dann kann man Biologismus auch loswerden.

    Der Weg, den djadmoros geht ist auch möglich: Für einen richtigen Biologen oder Mediziner müßte Dawkins These des egoistischen Gens leicht zu widerlegen sein, denn soviel ich weiß, gilt diee These “Ein Gen – eine Funktion” als widerlegt. C. nennt das Gruppenselektion, die er verwirft, weil das nicht die Mehrheit irgendwelcher Autoren sagt, die er verfolgt – was aber gar nichts heißt. Auch die Beschränkung auch endliche Populationen bringt biologie-interne Probleme, die C. konstant ignoriert. Vielleicht wird djadmoros in seinem angekündigten Grundsatzartikel einige dieser Fragen aufgreifen.

    Aber dafür müßte man sich mit fachfremdem Zeug auseinandersetzen, um nur um C. zu widerlegen, ist mir da die Zeit zu schade. Aber es geht auch anders – so, daß ich auch was davon habe.

    Das meint C. immer als großen Trumpf ausspielen zu können, obwohl er selbst absoluter Laie in Sachen Biologie ist und nicht mal ein Studium abgeschlossen hat. Ist halt alles mehr show als Substanz.

    • suwasu says:

      Deine Hinweise sind gut und richtig. Dennoch meine ich, man muss auch weniger wissenschaftsimmanent kritisieren. Es geht mir ja gar nicht so sehr um eine Widerlegung des Biologismus als solchen. Wichtig ist doch letztlich, dass wir etwas wollen, z.B. eine gerechtere Gesellschaft. Dafür brauchen wir so etwas wie ein Programm oder eine Theorie. Und dafür ist Christians Theorie unnütz und im Kern illiberal, weil sie wesentliche Lebensfragen nicht angemessen thematisiert. Es ist ja kein Wunder, dass Christian auf der politischen Ebene letztlich schwächelt, was meint: Er tritt nicht als Aktivist in Erscheinung, nicht als politischer Visionär. Sein Beitrag beschränkt sich letzten Endes auf PickUp und dessen biologische Basis.

      • “Dafür brauchen wir so etwas wie ein Programm oder eine Theorie. Und dafür ist Christians Theorie unnütz und im Kern illiberal, weil sie wesentliche Lebensfragen nicht angemessen thematisiert.”

        Das stimmt, aber C. würde genau das bestreiten und schulterzucken erwidern: “Wie die Realität IST, bestimmt die Wissenschaft und das ist in diesem Fall die Biolgoie.”.

        Ich bin ziemlich sicher, daß ich sehr scharf argumentieren kann, daß genau das eine metaphysische These ist und mit weniger als so einem Argument wird man den Biologismus nicht abstoßen können, der genau aus dem von dir genannten Grund dem Maskulismus hinderlich ist – weshalb linker Maskulismus nicht ausreichen kann.

        Biologismus ist keine scharfe Waffe gegen Feminismis, weil er dessen Determinismus wiederholt und bestärkt. Solange das keiner bemerkt, werden wir auch keine breite, öffentliche Resonanz auf den Maskulismus bekommen.

      • suwasu says:

        “Das stimmt, aber C. würde genau das bestreiten und schulterzucken erwidern: “Wie die Realität IST, bestimmt die Wissenschaft und das ist in diesem Fall die Biolgoie.”.”

        Das kann er ja nur, indem er alle wissenschaftstheoretischen Probleme und philosophischen Aporien ausblendet.

        Argumente sind da oft recht wirkungslos, das ist mein Eindruck.

        Für die politische Praxis ist das aber irrelevant. In dieser gibt es kein Expertengremium, dass über die Realitätstauglichkeit politischer Einstellungen zu befinden hat. Man formuliert einfach seine Interessen und fertig. Diese Freiheit besitzen wir offenkundig. Das lässt sich durch tatkräftige Praxis zeigen. Dafür hat die Diskussion um Dawkins einfach keine Bedeutung. Von Bedeutung ist, zu sagen und zu vertreten, was Männer wollen.

        Und zwar von praktischer Bedeutung. Die Praxis sticht hier die (ohnehin unvollkommene) Theorie.

      • @LoMi

        “Argumente sind da oft recht wirkungslos, das ist mein Eindruck.”

        Ich weiß nicht. Eher spricht das dafür, daß wir bisher die falschen gebracht haben. Aber das muß man ausprobieren.

        “Man formuliert einfach seine Interessen und fertig. Diese Freiheit besitzen wir offenkundig. Das lässt sich durch tatkräftige Praxis zeigen. Dafür hat die Diskussion um Dawkins einfach keine Bedeutung. Von Bedeutung ist, zu sagen und zu vertreten, was Männer wollen.”

        Na ja … stimmt schon, aber sieh dir an, was Seitenblick gesagt hat: Der Biologismus formuliert seine eigene Teleologie. Und die ist für Männerrechte keineswegs gleichgültig, denn sie erklärt, daß Geschlechtergerechtigkeit in sozialen und nicht in wirtschaftlichen Zusammenhänge, politische Macht oder was sonst Status verleihen möge, einfach irrelevant ist.

        Was ich und vermutlich zum Teil du auch wollen, eine soziale Realität ohne Ausbeutung, kann der Biologismus einfach nicht verstehen, denn sie ist für ihn unnatürlich und einfach nur eine Folge der Tatsache, daß du und ich irgendwelche betas, gammas oder omegas sind, die sich enfach über zu wenig Status im Vergleich zu den alpha-Männern beschwehren.

        Deshalb ist Biologismus maskulistisch kontraproduktiv.

      • suwasu says:

        ” aber sieh dir an, was Seitenblick gesagt hat: Der Biologismus formuliert seine eigene Teleologie”

        Das ist ein sehr guter Einwand, den ich ja auch schon länger erhebe. Das liegt ja auch an der Metapher von “sich durchsetzen”, “Egoismus”, “Fortpflanzungserfolg” usw. Da werden Ziele eingeschmuggelt, Pläne behauptet und letztlich quasi auch ein Lebenssinn, nämlich den der Anpassung an diese biologischen “Gesetze” und dem Folgen des Auftrages durch die Gene. Siehe dazu ja auch Christians Metapher der “Führung durch Auftrag”. Immer wieder also sprachlich ein planendes Subjekt.

        Politische Bedeutung hat das nur für Konservative, denen Christian kaum widerspricht. Nur die können solche Theorien gewinnbringend nutzen, um ihre eigenen Präferenzen zu tarnen als “objektiv”.

        Genau deshalb gilt:
        “Deshalb ist Biologismus maskulistisch kontraproduktiv.”

        Man kann das ablesen an den Konsequenzen, die die politischeren Köpfe aus Christians Theorien ziehen, etwa Roslin, ratloser oder Axel: Das ist immer ein Zurück zur Tradition und ein Dauerkampf gegen vermeintliche oder echte Linke. Da stimmt was nicht, zumal der Kampf hier immer nur polemisch und rabulistisch ausgetragen wird. Ein Mangel an Objektivität, der Christian nicht zu stören scheint.

        Das heißt, ich bewerte seine Theorien jetzt einfach mal auf Basis ihrer Effekte. Seine Prämissen und Argumente lasse ich mal außen vor und frage nur, was sie bringt und wer sie nutzt.

        Das ist natürlich kein gutes Argument auf theoretischer Ebene. Aber die theoretischen Argumente werden ja zu gerne auch verworfen. Dabei fehlt es eben an der philosophischen Reife, nicht nur über ein paar Grundprinzipien nachzudenken, sondern über Lebensfragen, über das, was wir als Männer sind, als Menschen sind, wie wir leben wollen usw. Genau das bleibt bei Christian stark unterbelichtet, zumal er sich für Zwiespalte und Kontingenzen an dieser Stelle nicht interessiert oder sie nicht zu sehen vermag.

      • @LoMi

        “Ein Mangel an Objektivität, der Christian nicht zu stören scheint. ”

        Ja, denn unabhängig von der Rethorik ist ja in seinen Augen alles Wesentliche schon vorher gesagt worden..

      • “Politische Bedeutung hat das nur für Konservative, denen Christian kaum widerspricht. Nur die können solche Theorien gewinnbringend nutzen, um ihre eigenen Präferenzen zu tarnen als “objektiv”.”

        Das sehe ich anders. ich habe die Punkte, mit denen sich Konsevative schwer tun, beispielsweise hier aufgelistet.

        Entsprechen biologische Theorien zu den Geschlechtern einem konservativen Weltbild?

        Tatsächlich erlaubt eine biologische Sicht auf individueller ebene einen starken Liberalismus: Wenn die Biologie einen Teil des Handelns und der Wünsche beeinflusst, dann hat derjenige, der abweichend von konsevativen Regeln leben will den Einwand, dass er eben nicht der Häufung entspricht und sich anders verhalten müsste, sich zB nicht an Geschlechterrollen gebunden sieht. Ihm dann entgegenzuhalten, dass sich zB “ein echter Mann so oder so verhält” ist auf der Basis unlogisch.

    • djadmoros says:

      @Elmar:

      »Das Ironische ist, daß die Neurophysiologie von C. “übersprungen” wird«

      Genau das halte ich für den wichtigsten Schlüssel zur Kritik: nicht nur, dass sich der Zustandsraum des menschlichen Gehirns schon hinsichtlich seiner Größenordnung nicht mehr genetisch kodieren lässt – auch die Arbeitsweise der neuronalen Verschaltung und Assoziation selbst beruht auf lokalen Effekten in der »Nachbarschaft« einzelner Neurone, nicht mehr auf irgend einem kodierbaren Plan. »Genetisch« ist nur noch die Anatomie des Neurons selbst, nicht mehr das Muster seiner Assoziation.

      Das ist in den Forschungen zur »Neuroplastizität« auch empirisch längst eindrucksvoll bestätigt, und aufgrund solcher Zusammenhänge (auf die auch schon die Kognitionspsychologie Piagets hindeutet) führt eine »Biologie der Erkenntnis« eben zu *konstruktivistischen* Konsequenzen, die auch dann gültig bleiben, wenn man dem Radikalen Konstruktivismus nicht folgen will.

      Auch das ist Biologie, nur eben keine, die bei den Evolutionspsychologen Beachtung findet.

      • suwasu says:

        Das Problem der Evolutionisten scheint mir zu sein:
        – sie mögen keine systemischen Zusammenhänge
        – sie bevorzugen Linearität, nichtlineare Dynamiken sind ihnen suspekt
        – Sie meiden Kontingenz wie die Pest

      • Seitenblick says:

        >– Sie meiden Kontingenz wie die Pest
        Dabei hat uns Luhmann doch ins Stammbuch geschrieben, wie zentral das Thema Kontingenzbewältigung für soziale bzw. für Sinnsysteme ist.

      • suwasu says:

        Hat der gute Luhmann getan. Aber das ist halt für viele bloß “Soziologie” oder “Philosophie”.

      • @djadmoros

        “Genau das halte ich für den wichtigsten Schlüssel zur Kritik: nicht nur, dass sich der Zustandsraum des menschlichen Gehirns schon hinsichtlich seiner Größenordnung nicht mehr genetisch kodieren lässt – auch die Arbeitsweise der neuronalen Verschaltung und Assoziation selbst beruht auf lokalen Effekten in der »Nachbarschaft« einzelner Neurone, nicht mehr auf irgend einem kodierbaren Plan. »Genetisch« ist nur noch die Anatomie des Neurons selbst, nicht mehr das Muster seiner Assoziation.”

        Ich glaube SOFORT, daß das ein möglicher Weg ist, um die Inkohärenz des Biologismus zu zeigen. Allerdings muß man sich dafür mit fundiertem Wissen über Neurophysiologie ausrüsten und dazu fehlt mir einfach die Zeit. Wenn du das machen willst, dann ist das eine enorme Leistung und ich lerne gerne von dir.

        Zweitens bin ich mir recht sicher, daß dieser Weg, die Biologisten NICHT von der Wiederholung ihrer Thesen abbringen wird. Sie werden weiterhin Studien suchen, die ihre Ansichten bestätigen und solche Studien ignorieren, die ihren Ansichten widersprechen, weil sie glauben, daß irgendwann “die Erlösung” – danke, Seitenblick – durch die richtigen Studien kommen wird.

        Biologismus halte ich wie Feminismis im Kern für eine metaphysische These – also etwas, was man weder endgültig belegen, noch endgültig widerlegen kann. Solche Thesen kann man nur loswerden, indem man ihre Nutzlosigkeit zeigt. Politische Nutzlosigkeit ist eine Sache, aber sie ist zu schwach.

        “führt eine »Biologie der Erkenntnis« eben zu *konstruktivistischen* Konsequenzen, die auch dann gültig bleiben, wenn man dem Radikalen Konstruktivismus nicht folgen will.”

        Da bin ich sehr gespannt. Ich bereite meinerseits etwas zu Konstruktivismus vor. Ich halt das für eine falsche These, mal sehen, wie sich unsere Thesen vertragen.

        “Auch das ist Biologie, nur eben keine, die bei den Evolutionspsychologen Beachtung findet.”

        Das ist sicher ein entscheidender Hinweis, denn die Biologisten pflegen eine Vorstellung von Empirie und Wissenschaft, die meiner Ansicht nach naiv und falsch ist. Aber das ist eine wissenschaftstheoretische Frage, die diese Leute ebenfalls – wie das Problem des Determinismus und das Problem, eine metaphysische Theorie zu sein – ignorieren.

        Ich habe mir den 20.10. rot im Kalender angestrichen, ich hoffe, bis dahin so weit zu sein.

      • @LoMi

        “Das Problem der Evolutionisten scheint mir zu sein:
        – sie mögen keine systemischen Zusammenhänge
        – sie bevorzugen Linearität, nichtlineare Dynamiken sind ihnen suspekt
        – Sie meiden Kontingenz wie die Pest”

        Merke ich für Artikel vor. Vielleicht magst du ja noch mal näher ausführen, welche Modelle du dazu vertrittst oder für besser hältst und in welcher Weise das mit den biologischen Theorien nicht in Einklang zu bringen ist?
        Bei solchen Stichwörtern redet man ja sonst schnell aneinander vorbei

      • Lusru says:

        @LoMi
        da findest du über Luhmann:
        > …soll in manchen Theorien durch eine feste soziale Ordnung überwunden werden.
        Luhmann hingegen will sie durch Kommunikation überwinden, bei der durch Beobachtung und Versuch und Irrtum im Lauf der Zeit eine emergente Ordnung entsteht. Diese emergente Ordnung nennt Luhmann „soziales System“<

        Da haben wir ihn wieder, den Zettelkasten des Luhmann: eine unemergente SYSTEMATIK, die Zettelkasten-ORDNUNG, die Luhmann stets mit SYSTEM verwechselt und der er Emergenzfähigkeit unterstellen will.
        Im Gegensatz zu einem System, einer dynamischen sich selbst regulierenden und DAHER emergierenden Ganzheit, ist eine "Ordnung" nur eine Systematik und keine (verbundene) Ganzheit, letztlich nur eine (undynamische) ANordnung, und leider nicht in der Lage Emergenzen zu erstellen / zu erzeugen und hat also weder etwas mit SYSTEM noch mit SYSTEMTHEORIE zu tun.

        Das hat Luhmann nie verstanden und ständig "Anordnungen" / Systematiken mit SYSTEMEN verwechselt.

        Dazu paßt auch diese etwas uninformiert erscheinende Bemerkung:

        @suwasu says:September 29, 2014 at 8:32
        "Das Problem der Evolutionisten scheint mir zu sein:
        – sie mögen keine systemischen Zusammenhänge
        – sie bevorzugen Linearität, nichtlineare Dynamiken sind ihnen suspekt
        – Sie meiden Kontingenz wie die Pest"

        Was für eine seltsame Verdrehung der Gegebenheiten, blanke Aggitation?
        Dem ist nicht so, es gilt genau umgekehrt:
        Die von dir "erkannten Probleme" treffen eindeutig auf Luhmann und nicht auf die Evolutoionsbiologen zu, ein alter Schweizer Spruch geht so:
        "Wer hat's erfunden??" (eigentlich: "Die Schweizer"…)
        Erfunden hat's halt der Bertalanffy, der Philosoph und Evolutionsbiologe, seit 1930 Erfinder / Entwickler der Allgemeinen Systemtheorie, der als erster Systeme allgemein (nicht nur biologisch) beschrieb und Emergenzen als Merkmal von Systemen postulierte, und damit für alle Nachfolgenden die noch heute einmalig relevanten Grundlagen für die Untersuchung von Systemen lieferte.

        Ja, ja, "Wer hat's erfunden? – nicht die Schweizer, nicht der Luhmann, es war der der Evolutionologe Bertalanffy – auch als Apell gegen die Annahme von Linearitäten in Komplexitäten, in allen komplexen dynamischen Systemen – und woher hat er DAS? Aus der Evolutions-BIOLOGIE – nicht aus Biologismus, den überforderte Leute daraus konstruieren (!) wollen.
        Nur wissen sollte man es schon, wenn man darüber redet.

        @Christian – Alles Evolution says:October 1, 2014 at 10:38 am
        nochmals: Mechanisch:
        "Wie soll das denn biologisch laufen? Wenn es keine biologische Veränderung gibt, dann gelten die alten Mechanismen fort."
        und
        "Der biologische Mechanismus fällt dadurch aber nicht weg."
        Das Problem ist (nicht nur für Kundige der Biologie): Es gibt in der Biologie keinen "Mechanismus", da Biologie das Gegenteil von Mechanismus (linearen Kontexten) ist, eine hochkomplexe dynamische selbstregulierene Ganzheit ist, weshalb allein auch Leben entstehen konnte.
        "Mechanismen" gibt es jedoch sehr wohl bei Luhmann und dessen "Ordnungen" im Zettelkasten.

        @elmardiederichs
        (in Konsequenz des zuvor Gesagten)
        Wer Evolutionsbiologie nur als "Biologismus" begreifen kann und sie "abschaffen" oder "loswerden" will, trägt sich mit der abnormen trügerischen Hoffnung, dabei selber "übrig bleiben zu können", sich – als blankes Evolutionsereignis – nicht gleich mit "los" zu werden.
        Ergänzung:
        Insofern sind auch "Gesellschaften", als große soziale Systeme, sehr wohl im Erst-Zustand aufgrund der naturbedingten "sozialen Installation" von Mensch ("Das kooperative Gen"!), ein System ursprünglicher NATürlicher Codierung, das umgehend KULTürlich dynamisiert, gestaltet weil "gelebt" wird, da es mit der Entstehung auch zum sozialen System und damit sofort auch zum nun KULTürlichen Subjekt / Objekt wird.
        Soziale Gesellschaften, Soziale Systeme als "Dynamische Ganzheiten mehrerer Lebewesen", entstehen nur dort, wo Lebewesen bereits NATürlich sozial codiert (z.B. kooperativ, mutualistisch) installiert sind

      • suwasu says:

        Natürlich hat Luhmann die Systemtheorie nicht erfunden. Nicht einmal die soziologische S-Theorie hat er erfunden. Und selbstverständlich stammt sie aus der Naturwissenschaft. Der von Luhmann ebenfalls vertretene “radikale Konstruktivismus” ist von Hirnforschern “erfunden” worden. usw.

        Ich habe auch nicht den Biologen vorgeworfen, sie hätten ein Problem mit Nicht-Linearität, sondern eben den BiologISTEN. Das ist ein Unterschied.

  2. Seitenblick says:

    >warum trotz besseren Wissens immer wieder diese windschiefe und missverständliche Metaphorik von “Wettbewerb” und “Konkurrenz” benutzt wird.

    Ich halte auch die ganze Rede von einem egoistischen Gen für eine verunglückte Metapher. Wie ich bei Christian schon mal sagte: Man führt damit sprachlich einen hidden actor ein, und zwar mit Zusätzen (“egoistisch”), die in die Sphäre der moralischen Beurteilung menschlichen Handelns gehört. Das halte ich für nicht zulässig und nicht sinnvoll. Aus zwei Gründen:

    a. Aus theoretischen Gründen. Zu den theoretischen Grundlagen gehört nun mal, dass man die biologischen Abläufe als Wissenschaft ohne jegliche Teleologie formulieren kann und muss.
    Mit dem “egoistischen Gen” codiert man aber ein Resultat sprachlich mit Metaphern, die nur für handelnde Menschen gelten. Man müsste eigentlich sprachlich permanent mit Formulierungen arbeiten wie “aufgrund der innerhalb der Evolution bsw. zufällig zustande gekommenen Koppelung von Sex und Fortpflanzung, die sich in der vorgefundenen Umgebung als recht durchsetzungsfähig erwies …”.
    So wäre dann auch die von dir zu Recht kritisierte fehlende Abgrenzung von individuellen, realen Entscheidungsgründen und Makrobiologischen Auswirkungen gewahrt. Die individuelle Entscheidungsebene ist nicht eine Illusion, sondern sie besteht ebenso wie es Koppelungen gibt, die das Individuum u.U. nicht kognitiv überblickt. Aber damit sind die Koppelungen nicht die “wahren Entscheidungsträger”, ebenso wenig wie ein “egoistisches Gen”. Ein Gen kann per Definitionem nicht egoistisch sein!
    Verabschiedet man derartig verunglückte Metaphern wie die vom egoistischen Gen nicht, hat man nur in biologistischer Sprache die alte Rede von der providentia dei oder von einem Prozess des zu sich selbst kommens reformuliert – tut dabei aber so, als wäre man ach so empirisch und hätte mit solchen Intentionen nichts zu tun.

    b. Interessant ist zudem, dass durch diese Formulierung des egoistischen Gens faktisch eben doch eine Funktion besetzt wird, die in den Bereich Religion oder Philosophie gehört. M.E. setzen sich bei diesen sprachlichen Wendungen permanent unterschwellige teleologische Orientierungsbedürfnisse durch. Dieser Versuchung sollten empirische Wissenschaften aber widerstehen – und sie anderen überlassen.
    Man muss doch nicht seine Erlösungswünsche in szientistischer Sprache präsentieren ;-).

    • suwasu says:

      ” Interessant ist zudem, dass durch diese Formulierung des egoistischen Gens faktisch eben doch eine Funktion besetzt wird, die in den Bereich Religion oder Philosophie gehört.”

      Ganz genau und das wird dann von vielen Interpreten auch genau so gelesen, siehe Roslin und Co. Insofern ist es ein Rätsel, an dieser Metapher festzuhalten. Womöglich ist es gar Absicht. Wenn man selber schon merkt, dass die Metapher überhaupt nicht passt, müsste man an einer besseren Ausdrucksweise arbeiten. Warum aber macht man das nicht? Nimmt man die Missverständnisse als politisch willkommen in Kauf? Manchmal habe ich das Gefühl.

      • Seitenblick says:

        >Warum aber macht man das nicht? Nimmt man die Missverständnisse als politisch willkommen in Kauf? Manchmal habe ich das Gefühl.

        Gegenthese: Dass man immer wieder in solche Formulierungen fällt, hat damit zu tun, dass der Mensch unheilbar religiös ist ;-).
        Er kann es bemerken und mit der religiösen Dimension kultiviert umgehen – inklusive Skeptizismus oder Ablehnung-, oder er kann unkultiviert damit umgehen und diese Bedürfnisse dann in empirische Gebiete mehr oder weniger unbemerkt reintragen und ausleben. Das passiert bei der Rede vom egoistischen Gen.

        Etwas theoretischer: Eine bestimmte Strömung der Religionsphilosophie, ich nehme dafür mal den Philosophen Paul Tillich, ging davon aus, dass der Mensch aufgrund der Struktur von Subjektivität immer wieder auf Momente des Unbedingten stößt. Sowohl der Anspruch von Wissen, wahr oder falsch zu sein, als auch die Notwendigkeit, das eigene Handeln in Verbindung zur eigenen Identität zu setzen, sind unbedingte Forderungen, die nicht von außen kommen. Die sind quasi Teil der conditio humana.

        Dass das dann etwas mit Religion zu tun hat (im gaaanz weiten Sinn) hängt bei Tillich damit zusammen, dass diese auftretende Unbedingtheitsforderung (in Form des Strebens nach Erkenntnis oder bei manchen Handlungen) ein Stoßen auf das Absolute ist – denn das Attribut der Unbedingtheit ist ein Attribut des Absoluten, oder des Göttlichen.

        Die menschliche Selbstdeutungsaktivität in all ihren kulturellen Formen trägt also einen Keim in sich, der das Problem der Religion aufwirft – egal, welche individuelle oder kulturelle Antwort auf dieses Problem gegeben wird.

        Meine Gegenthese also: Christian und Co sind unheilbar religiös, sie haben aber keine Kultivierung dessen i.S. eines reflektierten Umgangs damit gefunden ;-).
        (Und Elmar kriegt bei dieser Argumentation vielleicht einen Herzanfall 😉 ).

      • @Seitenblick

        “Und Elmar kriegt bei dieser Argumentation vielleicht einen Herzanfall ”

        Na ja … ich würde das vielleicht nicht mit Hilfe der “condition humana” *ersterbendes Röcheln* oder “dem Stoßen auf das Absolute und der Unbedingtheit als Attribut des Absoluten, oder des Göttlichen” formulieren *Bewußtlosigkeit – ich KOMMEEE!!*, sondern einfach so, daß hier metaphysische Thesen am Werk sind – aber davon weiß C. natürlich gar nichts.

      • suwasu says:

        Worauf Seitenblick hinauswill: Menschen bedürfen offenbar der Metaphysik. Wenngleich diese These natürlich auch metaphysisch sein dürfte.

      • Seitenblick says:

        >Worauf Seitenblick hinauswill: Menschen bedürfen offenbar der Metaphysik. Wenngleich diese These natürlich auch metaphysisch sein dürfte.

        Was ich mich schon bei deinem älteren Posting zur Sakralität der weiblichen Sexualität gefragt habe (sorry, wollte es mir dir diskutieren, aber bei mir brennt arbeitstechnisch manchmal so die Hütte, kam nicht dazu):

        Vielleicht brauchen soziale Systeme zumindest prinzipiell einen Werte-Konsensbereich, der faktisch die Position von “Sakral iSv nicht hinterfragbar” abdeckt.
        Wenn das so ist, dann hat derjenige gute Karten, der seine Anliegen diesem Bereich zuordnen kann bzw. der seine Anliegen als Ausdruck dieses Bereichs verkaufen kann.
        Und eine bestimmte Darstellungsform der weiblichen Sexualtität hat das versucht und ist dabei vielleicht sogar teilweise erfolgreich gewesen. Wenn Äußerungen wie “es gibt prinzipiell nichts schlimmeres als eine Vergewaltigung” als nicht-diskutierbar behandelt werden (was in manchen Diskussionen geschehen ist), obwohl es Mord und Verstümmelung auf der Welt gibt und es insofern eben nicht sui generis ist, dann scheint mir dabei so etwas abgelaufen zu sein.

        >Wenngleich diese These natürlich auch metaphysisch sein dürfte.
        Natürlich. Schon insofern, als dass ein echter Beweis erst vom Ende der menschlichen Geschichte her möglich wäre.

      • Seitenblick says:

        @Elmar
        > sondern einfach so, daß hier metaphysische Thesen am Werk sind
        Das reicht ja schon mal als Diskussionsgrundlage ;-).

      • @LoMi @Seitenblick

        “Worauf Seitenblick hinauswill: Menschen bedürfen offenbar der Metaphysik. Wenngleich diese These natürlich auch metaphysisch sein dürfte. ”

        Das habe ich schon verstanden, bei mir kommt diese These nur in einem etwas anderen Gewand. Ich formuliere:

        “Vulgärbiologismus ist psychologisch motiviert.”

        Das ist eine Aussage über eine Person, nicht aber eine in der Tat metaphysische Spekulation über die psychologische Natur der menschlichen Spezies.

        Mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, nützt an dieser Stelle gar nichts.

      • suwasu says:

        Ich würde von Seitenblicks Ausflug in die Religionsphilosophie vor allem die Unterscheidung zwischen bedingt/unbedingt aufnehmen. Es gibt Dinge, die sind veränderlich und es gibt Konstanten. Dazu verhalten Menschen sich in bestimmter Weise und man kann nun schauen, inwiefern Biologieaffine dazu neigen, vorrangig Konstanten zu betonen und diese in den Mittelpunkt ihres Denkens zu rücken. Das ist begriffsstrategisch wichtig. Schließlich wollen wir als politische Bewegung etwas verändern und zielen damit auf das Bedingte, dessen Ursachen wir ergründen können, um daraus Möglichkeiten des Eingreifens abzuleiten. Wir suchen also nicht nach den Dingen, die niemals veränderbar sind. Insofern sind wir auch nicht Diener absoluter Wahrheiten. Biologisten suchen aber nach absoluten und unstrittigen Wahrheiten und stülpen sie der Gesellschaft über, zumindest in der Tendenz, weil sie die invarianten Dinge höher bewerten als die veränderlichen. Das kann dann tatsächlich in ein Wahrheitsmonopol münden, vom Anspruch her, und das ist illiberal.

      • “Ich würde von Seitenblicks Ausflug in die Religionsphilosophie vor allem die Unterscheidung zwischen bedingt/unbedingt aufnehmen.”

        Macht mal – sehen wir uns an, was dabei rauskommt, aber ihr ahnt schon, daß ich nicht dabei mitmache.

        “Es gibt Dinge, die sind veränderlich und es gibt Konstanten.”

        Es gibt in der Philosophie einen Universalienstreit über Jahrhunderte. Soviel ich weiß, wurde irgendwann nicht mehr davon geredet. 😉

      • suwasu says:

        Es ist unwichtig, ob diese Frage tatsächlich relevant ist, ob es KOnstanten gibt oder nicht. In der Welt der Begriffe und des politischen Denkens kommt so etwas aber vor. Die “gute alte Zeit”, “das richtige Leben” und “Mutter Natur” sind Ausdrücke solcher Annahmen, dass es etwas Konstantes gibt.

    • @all

      “M.E. setzen sich bei diesen sprachlichen Wendungen permanent unterschwellige teleologische Orientierungsbedürfnisse durch. Dieser Versuchung sollten empirische Wissenschaften aber widerstehen – und sie anderen überlassen. Man muss doch nicht seine Erlösungswünsche in szientistischer Sprache präsentieren.”

      Das ist meiner Ansicht nach ein sehr tiefschürfender Hinweis. Wer als erstes ein transparentes Argument daraus machen kann, wir diese Debatte gewinnen.

    • “Mit dem “egoistischen Gen” codiert man aber ein Resultat sprachlich mit Metaphern, die nur für handelnde Menschen gelten. Man müsste eigentlich sprachlich permanent mit Formulierungen arbeiten wie “aufgrund der innerhalb der Evolution bsw. zufällig zustande gekommenen Koppelung von Sex und Fortpflanzung, die sich in der vorgefundenen Umgebung als recht durchsetzungsfähig erwies …”.”

      Eigentlich müsste man dann dennoch auf der Genebene bleiben und statt dessen davon sprechen, dass Gene dann im Genpool zahlreicher werden, wenn die durch sie produzierten Genvehikel eine langfristig über dem Schnitt liegenden Weitergabe von Kopien der Gene bewirken

      • Seitenblick says:

        >Eigentlich müsste man dann dennoch auf der Genebene bleiben und statt dessen davon sprechen, dass Gene dann im Genpool zahlreicher werden, …

        Jein. Die Genebene bleibt natürlich vorhanden. Aber worauf es mir ankommt, ist: Gene “wollen” gar nichts. Gene sind komplexe Funktionseinheiten, die in sychnronen und diachrochen Wechselwirkungen stehen und die außerdem im Rahmen des Zeitverlaufs a. sich durchhalten, wenn die Umgebung entsprechend ist und die und b. zugleich permanent einer Variation unterliegen (Variation durch Kopierfehler etc.). Letzteres sind verschränkte Prozesse.

        Insofern “müsste” man nicht auf der Genebene bleiben, weil diese nur eine von mehreren wirkenden Ebenen ist. Ohne das Wissen um eine konkrete Umgebung bsw. ist nämlich gar nicht verständlich, warum bestimmte Gene im Genpool zahlreicher werden. Und mit “Umgebung” meine ich nicht nur die physikalisch-geologische, sondern auch eine kulturelle. Denn die genetische Qualität meiner Augen würde in einer Jagdgesellschaft mein Überleben verkürzen und damit die Wahrscheinlichkeit für die Weitergabe meiner Gene zwar verkürzen. Genau dieser Faktor ist in einer anderen Umgebung, in der ich mein Geld mit der Analyse des Verhaltens von Testpersonen verdiene, aber bedeutungslos. Eine früher überlebenswichtigere Genausstattung kann durch Variation der Umgebung an Relevanz deutlich verlieren und sogar irrelevant werden.

        Und dazu kommt, um auf Lomis Frage nach der Bedeutung derartiger Betrachtungen für die individuelle Lebensführung zurückzukommen, dass die Genebene eine von mehreren wissenschaftlichen Betrachtungsebenen ist. Wissenschaftliche Betrachtungsebenen sind aber für das Individuum nicht per se ausschlaggebend. Es muss im Einzelfall geprüft werden, welche Handlungen und Motivationen davon betroffen sind.

        Also: Man “muss” nicht auf der Genebene bleiben – es hängt davon ab, welche Fragestellungen man bearbeiten will.
        (Nebenbei verstehe ich immer noch nicht so ganz, warum ihr eure Gene so toll und wichtig findet. Manche Äußerungen klingen für mich so, als ob die Weiterexistenz von ein paar Genabschnitten – für einen kurzen Zeitraum, bevor der große Mixer alles zerquirlt – , die Funktion der frühreren Unsterblichkeit der Seele oder so was übernehmen soll ;-). )

      • “Insofern “müsste” man nicht auf der Genebene bleiben, weil diese nur eine von mehreren wirkenden Ebenen ist.”

        Sie ist bezüglich der Biologie eben die Ebene, die zählt (+ Epigenetik). Denn andere Informationen als die Gene werden eben nicht weitergegeben. Es wirkt ja gerade kein Lamarckismus. Insofern muss man für alle biologischen Selektionsprozesse zwangsläufig auf das Gen abstellen, auch was kulturelle Selektion angeht. denn nur, wenn sich diese auf die Genzusammensetzung im Genpool auswirkt hat sie biologische Auswirkungen

      • Seitenblick says:

        >Sie ist bezüglich der Biologie eben die Ebene, die zählt (+ Epigenetik).

        Ähm – wie oft habe ich eigentlich schon geschrieben, dass es sinnvoll ist, zwischen der wissenschaftlichen Betrachtungsebene der Biologie und der Betrachtungsebene des Individuums zu unterscheiden? (Das Epigenetik-Fass muss man dafür gar nicht aufmachen.) Und das Lomis Ausgangspost genau auf diese Frage bzw. den letzteren Punkt abhebt, hast du wirklich bemerkt? “Bezüglich der Biologie” – ja, aber die Biologie-Ebene ist für das Individuum in vielen Fällen völlig irrelevant. Ebenso, wie die Ebene der Elementen-Entstehung im Rahmen der Stern-Lebenszyklen für das Individuum, sobald es um seine Lebensgestaltung geht, in den allermeisten Fällen herzlich uninteressant weil praktisch irrelevant sein dürfte.

        >Insofern muss man für alle biologischen Selektionsprozesse zwangsläufig auf das Gen abstellen,
        Nur dass es um die gar nicht geht.

        >auch was kulturelle Selektion angeht.

        Hallo? Auch was die kulturelle Selektion angeht? Das glaubst du doch selber nicht, das wirst du gleich relativieren zu “als einer von mehreren Faktoren”. Ja, Menschen sind biologische Wesen und brauchen Nahrung etc. Aber wenn ein paar Mönche entscheiden, dass sie ihre Form von Lebensglück eher zölibatär erreichen, und dabei entstehen kulturelle Angebote durch Bildungsverbreitung in Form von Schreibunterricht und schließlich Schulen, dann wird die Kultur davon deutlich geprägt. Obwohl die aus dem Genpool verschwinden 😉 Was willst du bei so was mit deinen Genen? Die Software ist verdammt flexibel! Deine Gene sind hier nur – metaphorisch gesprochen – die Hardware, die sehr viel unterschiedlicher Software erlaubt zu laufen. Wir reden von lernfähigen Systemen, und für die Weitergabe von Erlerntem brauche ich keinen Lamarkismus – das erledigen kulturelle Faktoren der Wissensweitergabe.

        Sorry, aber so langsam erinnert mich diese permanente Wiederholung von “aber die Gene sind so wichtig und müssen unbedingt erwähnt werden” an “aber Gender ist so wichtig, dass müssen auch die Ingenieure lernen”. Beides passt nicht immer ;-).

      • “Hallo? Auch was die kulturelle Selektion angeht? Das glaubst du doch selber nicht, das wirst du gleich relativieren zu “als einer von mehreren Faktoren”.”

        Kulturelle Selektion im biologischen Sinne ist die Förderung bestimmter Gene durch kulturelle Praktiken.
        Ein einfaches Beispiel: Die kulturelle Praxis des Kochens führte dazu, dass wir einen anderen Darm und Magen entwickeln konnten.

        Reine Verhaltensänderungen sind keine Selektion andauernde Selektion, die Auswirkungen hat.
        Wenn aber 90% aller Menschen Mönche und Nonnen werden müßten und das nach gleichen Kriterien über einen langen Zeitraum, dann würde das zB eine Selektion auf die Kriterien bewirken, die am ehesten verhindern, dass man Mönch wird (oder eine Selektion auf Kriterien, die einem Fortpflanzung trotz Mönch- und Nonnensein erlauben, wenn Leute “schummeln” können)

      • djadmoros says:

        @Christian:

        »Ein einfaches Beispiel: Die kulturelle Praxis des Kochens führte dazu, dass wir einen anderen Darm und Magen entwickeln konnten.«

        Das ist ja zutreffend, und diese Anpassung kann auf die Überlebenschancen von Individuen einer konkreten Population Einfluss nehmen. Aber sie entscheidet nicht mehr über das Überleben dieser Population als solcher. Denn diese Population wird, da sie zusätzlich zu dieser genetischen Anpassung auch über kulturelle Mechanismen der Anpassung (Lernen) verfügt, eine ungünstige Umwelt entweder aktiv verändern oder ihr ausweichen.

        Sie kann auch scheitern, aber wenn eine solche Population scheitert, dann nicht an ihren genetischen Dispositionen, sondern an einer Überforderung ihres kulturell verfügbaren Wissens. Nicht mehr das Verhältnis von Genen und Umwelt, sondern das Verhältnis von Lernprozessen und Umwelt ist das Entscheidende. »Gruppenselektion« gibt es daher nur noch aufgrund kultureller Faktoren. Und selbst dann stirbt die Population nicht unbedingt aus – die Hochkultur der Maya ist zusammengebrochen, aber die Sprache und Populationen der Maya gibt es immer noch.

        »Wenn aber 90% aller Menschen Mönche und Nonnen werden müßten und das nach gleichen Kriterien über einen langen Zeitraum …«

        Man beachte den Konjunktiv und nehme ihn sehr ernst. Denn solche langen Zeiträume stehen mit dem Beginn der kulturellen Evolution nicht mehr zur Verfügung. »Kulturelle Selektion im biologischen Sinne« ist daher »top-down only«!

      • “Das ist ja zutreffend, und diese Anpassung kann auf die Überlebenschancen von Individuen einer konkreten Population Einfluss nehmen.”

        Dann sind wir aber nicht in dem Bereich der kulturellen Selektion.)
        Es ging mir um eine Klarstellung dieses Begriffs bzw. meiner Verwendung dieses Begriffs

      • djadmoros says:

        @Christian:

        »Dann sind wir aber nicht in dem Bereich der kulturellen Selektion.«

        Doch, sind wir immer noch. Und zwar darum, weil die Mutation, die die Verdauung modifiziert, nur eine intervenierende Variable zwischen der kulturellen Entscheidung eines Übergangs zur Viehzucht (Stadardbeispiel Laktosetoleranz) und dem Selektionseffekt (bessere Überlebenschancen durch Verträglichkeit von Milch im Erwachsenenalter) darstellt.

        Entweder war die Mutation direkt eine epigenetische Reaktion auf eine kulturell veränderte Umwelt, oder die Mutation war davon unabhängig (zufällig), ist dann aber erst durch die kulturelle Veränderung selektionsrelevant geworden (da lege ich mich nicht fest).

        Es war nicht die Laktosetoleranz, die den Mensch zur Kuh gebracht hat, es war die menschliche Entscheidung zur Kuh, die die genetische Veränderung entweder epigenetisch induziert oder *als Selektionsfaktor aktiviert* hat.

      • @djadmoros

        “!Doch, sind wir immer noch.”

        Mein Kommentar sollte eigentlich hierunter.

        “Denn diese Population wird, da sie zusätzlich zu dieser genetischen Anpassung auch über kulturelle Mechanismen der Anpassung (Lernen) verfügt, eine ungünstige Umwelt entweder aktiv verändern oder ihr ausweichen.”

        “Und zwar darum, weil die Mutation, die die Verdauung modifiziert, nur eine intervenierende Variable zwischen der kulturellen Entscheidung eines Übergangs zur Viehzucht (Stadardbeispiel Laktosetoleranz) und dem Selektionseffekt (bessere Überlebenschancen durch Verträglichkeit von Milch im Erwachsenenalter) darstellt.”

        Die Diskussion hatten wir schon mal oder?

        “Entweder war die Mutation direkt eine epigenetische Reaktion auf eine kulturell veränderte Umwelt”

        Epigenetische Prozesse entstehen auch nicht durch ein Wunder. Sie sind letztendlich auch Verfahren, die einer Selektion unterliegen

        “oder die Mutation war davon unabhängig (zufällig), ist dann aber erst durch die kulturelle Veränderung selektionsrelevant geworden (da lege ich mich nicht fest).”

        Die Mutation ist immer unabhängig. Es gibt ja keinen steuernden Mechanismus bei Mutationen.
        Diese Selektion tritt dann eben in Wechselwirkung mit der Praxis. Die Verbreitung der Mutation fördert die Verbreitung der Praxis und umgekehrt.

        “Es war nicht die Laktosetoleranz, die den Mensch zur Kuh gebracht hat, es war die menschliche Entscheidung zur Kuh, die die genetische Veränderung entweder epigenetisch induziert oder *als Selektionsfaktor aktiviert* hat.”

        Wie soll man bei einem Selektionsprozess eine Reihenfolge ausmachen? Die Mutation tritt bei wenigen Personen ein, die die Praxis dann besser nutzen können, dadurch vorteile haben und die Mutation weitergeben können. Dadurch reichert sie sich an. Mutationen betreffen Einzelpersonen, sie kommen dann über Fortpflanzung in die nächste Generation. Es ist ein sehr langsamer Prozess, der über viele generationen verläuft. Natürlich kann eine solche Selektion nur wirksam sein, wenn Kuhmilch vorhanden ist. Dennoch sind nicht alle Viehhaltenden Völker laktosetolerant geworden.

      • gmpf, da habe ich das “/” beim letzten Blockquote vergessen, Elmar, vielleicht wärst du so nett, dass zu korrigieren

  3. “Aber dann müssen wir wenigstens in diesem Sumpf der Selbsttäuschungen einen festen Punkt setzen. Wir müssen eine Prämisse machen, von der aus wir uns selbst modellieren, uns als Person entwerfen. Anderenfalls werden wir geisteskrank.”

    Vielleicht hilft es dir weiter, wenn du dich in die Frage einließt, welche Lesarten es von Determinismus eigentlich gibt und was es bedeutet, in einer Naturwissenschaft von kausalen Erklärungen zu reden. Meiner Ansicht nach, liegt da der Hund begraben und obwohl ich mal ein Diplom in Physik gemacht habe, empfinde ich das als schwieriges und verworrenes Gebiet, in dem es unglaublich fein unterschiedene Mißverständnis auseinander zu halten und zu bekämpfen gilt. Daher kann ich hier nicht mehr als diese Andeutung machen, denn ich lerne noch jeden Tag dazu. Vermutlich ist aber das hier

    “Ich werde aber kein unfreies System (Feminismus) durch ein anderes unfreies System (biologisch begründete Geschlechterordnung) ersetzen helfen.”

    die richtige Idee, denn mein Verdacht ist, daß beide Theorien mehr miteinander gemeinsam haben, als sie denken, insofern sie dieselben Mißverständnisse über Determinismus teilen.

    Vor allem denke ich, daß Biologisten schlechte Naturwissenschaftler sind, weil sie nicht verstehen, wie ihre Wissenschaft funkioniert. Ein gute Biologiediplom zu machen, ist dafür auch keine Garantie, denn weder Biologen, noch Physiker reflektieren darüber. Das machen nur Philosophen, aber für C. ist das keine empirische Wissenschaft – was ein Irrtum ist.

    Insgesamt nimmt dieses Thema zu viel Raum ein und es schadet mehr, als es nützt. Wir müssen versuchen, diese Debatte als Ganzes zu verabschieden – wie Rorty das in “Im Spiegel der Natur” erklärt hat – und dafür reichen empirische Studien nicht aus.

    Was wir tun müssen, ist das philosophische Problem und Freiheit und Determinismus zu klären und das wird uns helfen, den Biologismus zu verabschieden und den Feminismus besser zu kritisieren. C. drängt ja immer auf schnelle Lösungen, er kann sich nicht vorstellen, daß man länger als 20min über eine Sache nachdenkt. Aber solche Schnellschüsse werden uns nicht helfen, die Lager der Maskulisten zu trennen und aufzurüsten.

    Am Ende erwarte ich, daß es einen

    a) sog, linken Maskulismus gibt, der mit Equifeminisus und Biologismus verträglich ist.
    b) libertären, humanistischen Maskulismus ist, der weder mit Equifeminismus noch mit Biolgosmus verträglich ist.

    Ob es jemals einen rechten Maskulismus gab, weiß ich nicht, ich halte das label des linken Maskulismus mehr für einen PR-Schazug von Hoffmann.

    Ich hoffe, du bist nicht böse, daß ich die Katze noch nicht aus dem Sack lasse. Ich würde ungern noch mehr Halbheiten verbreiten.

    • @elmar

      “a) sog, linken Maskulismus gibt, der mit Equifeminisus und Biologismus verträglich ist.
      b) libertären, humanistischen Maskulismus ist, der weder mit Equifeminismus noch mit Biolgosmus verträglich ist.”

      was ist denn an einem Equityfeminismus abzulehnen?

      Sommers und Young schreiben ja zB sehr nachvollziehbare und kritische Texte

      • @C

        “was ist denn an einem Equityfeminismus abzulehnen?”

        Das wird eine Überraschung. 🙂 Aber es wird reichen, um sich vom linken Maskulismus zu verabschieden.

        “Sommers und Young schreiben ja zB sehr nachvollziehbare und kritische Texte”

        Das dachte ich Anfangs auch. Aber je mehr ich über Biologismus gelernt habe, darüber, was ihn antreibt, welche Argumente er nie bringt, weil er unausgesprochene Annahmen macht, desto mehr wurde mir klar, daß er dem Feminismus in einer bestimmten Hinsicht frappierend gleicht – weil wir eben auf einem bestimmten Auge blind sind.

        Mehr wird nicht verraten, solange ich mit der Entwicklung noch nicht fertig bin. Einige habe ich eingeweiht, sie warten ebenfalls auf meine Ergebnisse.

      • @Elmar

        Equityfeminismus erfordert übrigens keine biologische Begründung. Er ist davon unabhängig

      • @C

        Das sehe ich auch so. Du wirst sehen, daß das überhaupt keinen Unterschied macht.

      • Leszek says:

        @ Elmar

        “Aber es wird reichen, um sich vom linken Maskulismus zu verabschieden.”

        Das wage ich zu bezweifeln.

        Ich weise aber mal kurz darauf hin, dass der Equity-Feminismus gerade im liberalen und radikalliberalen (“libertären”) Maskulismus besonders angesehen ist.
        Die Hauptvertreterinnen des Equity-Feminismus sind nichts politisch links, sondern klassisch liberal ausgerichtet. Daher ist im englischssprachigen Raum die Kooperation zwischen liberalen Maskulisten und Equity-Feministinnen auch stark ausgeprägt.

        Auf geschlechterpolitischer Ebene ist der Equity-Feminismus natürlich sowohl mit dem liberalen als auch mit dem linken Maskulismus gut vereinbar, deshalb ist der Equity-Feminismus auch zu Recht – nicht nur in Deutschland sondern auch und gerade im englischssprachigen Raum – bei Männerrechtlern unterschiedlicher politischer Orientierungen angesehen.
        Von der geschlechterpolitischen Ebene abgesehen ist der Equity-Feminismus mit dem linken Maskulismus in politischer Hinsicht jedoch weniger vereinbar, da er nunmal klassisch liberal, manchmal auch radikal-liberal ausgerichtet ist.

        Mit dem linken Maskulismus wäre m.E. nach ein ECHTER klassischer sozialisticher Feminismus in der Tradition der sozialistischen Frauenbewegung der ersten Welle der Frauenbewegung besser vereinbar, wenn ein solcher im zeitgenössischen Kontext aktualisiert und in theoretischer Hinsicht explizit auf eine geschlechtsübergreifende Perspektive (analog der des Equitiy-Feminismus) ausgerichtet würde, aber das gibt es zur Zeit leider nicht als eigenständige feministische Strömung.

        Christian ist übrigens liberaler Maskulist, kein linker Maskulist, auch da sollte man m.E. darauf achten diese Orientierungen nicht durcheinander zu werfen.

      • suwasu says:

        Falls Christian überhaupt ein Maskulist ist.
        Das ist nicht abwertend gemeint. Niemand muss ein Maskulist sein. Aber Maskulismus muss ja dennoch definiert sein und meine – persönliche – Definition wäre schon die, dass man im Ansatz eine politische Forderung vertritt. Feminismuskritiker zu sein, heißt noch lange nicht, Maskulist zu sein. Das steht auch im Einklang damit, dass etliche Feminismuskritiker von sich aus sagen, dass sie nicht unbedingt Maskulisten sein wollen.

      • “Das sehe ich auch so. Du wirst sehen, daß das überhaupt keinen Unterschied macht.”

        Meine Vermutung wäre, dass du eine Definition bringst, was sie nach deiner Meinung vertreten müssen, auch wenn sie es nicht vertreten und dann eine Ablehnung dieses von dir angenommenen Inhaltes. Die Herleitung, was sie vertreten müssen, wird aus deiner Sicht logisch, aber frei von Herleitungen an konkreten Texten aus dem Bereich sein. Vielleicht enthält es auch ein “sie sagen zwar nicht, dass sie es vertreten, sie könnten es aber vertreten, was genauso gut ist”

      • Leszek says:

        @ LoMi

        “Falls Christian überhaupt ein Maskulist ist.”

        Also ich würde seiner Selbsteinschätzung schon zustimmen.

        Christian:

        “Ich würde mich in einen gemäßigten, liberalen, biologisch ausgerichteten Maskulismus einordnen. Daraus folgt eine gewisse Form von Differenzmaskulismus, der aber nicht absolut verstanden werden soll.”

        Erzählmirnix Masku-Blogstöckchen: 8 Fragen zum Maskulismus

        Also: Gemäßigter liberaler Differenzmaskulismus. (Speziell mit linkem Maskulismus hat Christian nun aber wirklich nicht viel am Hut.)

        Als gleichheitsmaskulistisch könnte man hingegen m.E. (auch wenn er sich selbst nicht so nennt) auf der inhaltlichen Ebene Christoph Kucklick einordnen, eventuell auch Esther Vilar zu der Zeit als sie ihre Bücher zu Geschlechterthemen schrieb. Das wären dann Beispiele für linken Gleichheitsmaskulismus.

        Ein Beispiel für eine Gleichheits-Antifeministin wäre die marxistisch-reichianische Feminismuskritikerin Kerstin Steinbach.

      • suwasu says:

        Da wäre aber die Frage, welches Kriterium Du da anlegst, um jemanden als Maskulist einzuordnen.

        Die Unterscheidung zwischen Differenz- und Gleichheitsmaskulismus hingegen ist klar. Ich gehöre eher zu den Gleichheitsbefürwortern bei gleichzeitiger Akzeptanz von Geschlechterdifferenz als Tatsache (Über den Begriff “Tatsache” ließe sich wiederum streiten). Aus der Differenz leite ich aber keine ideale Ordnung oder politische Forderungen ab.

      • @loMi

        “Ich gehöre eher zu den Gleichheitsbefürwortern bei gleichzeitiger Akzeptanz von Geschlechterdifferenz als Tatsache”

        Wie soll das denn gehen?

      • suwasu says:

        Das geht, wenn man auf den naturalistischen Fehlschluss verzichtet. Differenz = Sein, Gleichheit (rechtlich) = Sollen. Aus der Existenz von Geschlechterunterschieden biologischer Art folgt für mich keine Geschlechterordnung. So ist das gemeint.

      • Also befürwortest du nicht die Theorien, dass Männer und Frauen gleich sind, sondern bist lediglich für eine rechtliche Gleichbehandlung, auch wenn Geschlechterunterschiede bestehen?

        Das wäre ja recht unproblematisch.

        Allerdings bewirken dann diese Geschlechterunterschiede dann ja trotzdem Unterschiede in dem sozialen Verhalten. Insofern wäre ja keine Geschlechtergleichheit gegeben

      • suwasu says:

        Ich glaube, dass es Geschlechterunterschiede gibt. Wie bedeutsam diese sind, ist eine zweite Frage. In vielen Bereichen, so meine ich, spielen die Geschlechterunterschiede keine so große Rolle. Zu guter Letzt ist jede Person ein Individuum, was sehr viel wichtiger ist als Gruppenmerkmale, ob sozialer oder biologischer Natur.

        Politisch interessant sind zunächst nur rechtliche Fragen. Das Private ist besser nicht politisch, denn hier würde der Staat sich einzumischen beginnen in die Sphäre der Individuen.

        Geschlechterunterschiede im sozialen Verhalten gibt es, aber die sind für einen politischen Maskulismus vollkommen unwichtig.

      • Leszek says:

        @ LoMi

        Ich verwende den Begriff “Maskulist” als Synonym für “Männerrechtler”.
        In diesem Sinne ist mein Kriterium, dass ein gewisser Schwerpunkt der Beschäftigung mit geschlechtsbezogenen und geschlechterpolitischen Themen auf die Problematisierung und Beseitigung von Diskriminierungen, Benachteiligungen, sozialen Problemlagen und Menschenrechtsverletzungen von denen Jungen und Männer betroffen sind, gelegt wird.

        Das ist bei Christian m.E. durchaus der Fall, (wiewohl er in der Tat auch viel Feminismuskritik betreibt und ich zustimmen würde, dass spezifisch männerrechtliche Anliegen in seinen Artikeln ruhig etwas häufig thematisiert werden könnten).

        Ich betrachte übrigens auch mehrere Equity-Feministinnen als Männerrechtlerinnen, d.h. ich ordne sie – genau wie Warren Farrell nach seiner Eigenaussage – gleichzeitig dem (liberalen) Feminismus wie dem Maskulismus zu. Das ist inhaltlich auch eindeutig begründbar.
        Nur wenn man “Antifeminist” ist, hat man damit eventuell Probleme – aber das bin ich ja glücklicherweise nicht. 🙂

      • suwasu says:

        Nun, Leszek, Du hast den Vorteil, Dich genau verorten zu können.

        Ich selbst bin – ganz aus dem Bauch heraus – ein Antifeminist. Aber der Affekt ist natürlich ein schlechter Ratgeber auf Dauer. Deshalb gehe ich davon aus, dass eine nüchterne Beschäftigung mit den Dingen diesen emotionalen Standpunkt verändern kann.

        “Das ist bei Christian m.E. durchaus der Fall, (wiewohl er in der Tat auch viel Feminismuskritik betreibt und ich zustimmen würde, dass spezifisch männerrechtliche Anliegen in seinen Artikeln ruhig etwas häufig thematisiert werden könnten). ”

        Ich habe manchmal das Gefühl, dass die männerrechtlichen Anliegen bei ihm untergehen. Daher habe ich ihn jetzt nicht so sehr als Maskulist gesehen. Für mich ist dabei das Kriterium, politische Veränderungen anzupeilen. Man kann Feminismuskritik betreiben, man kann sogar auch Diskriminierungen benennen, ohne es am Ende auf politische Gestaltung anzulegen.

        Nun ja, ich gebe zu, so recht durchdacht ist meine “Klassifikation” jetzt noch nicht.

      • djadmoros says:

        @Christian:

        »Allerdings bewirken dann diese Geschlechterunterschiede dann ja trotzdem Unterschiede in dem sozialen Verhalten. Insofern wäre ja keine Geschlechtergleichheit gegeben«

        Unterschiede im sozialen Verhalten? Potzblitz! Den Unterschieden im sozialen Verhalten nach ist die Programmiererin in meinem Büro mir »gleicher« als der Fleisch- und Fischthekenverkäufer im russischen Supermarkt drei Straßen weiter!

      • @djadmoros

        Das mag sein. Aber weil die 1.70 Frau näher an meiner Körpergröße ist als die 1.60 Frau bestehen ja trotzdem Unterschiede.

        Und auch weil es 1.90 Frauen gibt sind Männer im Schnitt größer

        Was also soll das aussagen?

        Ich vermute mal die Programmiererin wird dennoch zB eine stark von den typischen Männern abweichende Haltung zu Casual Sex haben oder wird anderes frauentypisches Verhalten zeigen.

  4. “Wenn ich mir den Wecker stelle, um pünktlich zur Arbeit zu kommen, dann folge ich einer Vernunft, einer Einsicht in die Regeln des Arbeitslebens und seines Zeitregimes. Wenn ich fachliche Entscheidungen treffe, benutze ich reine Denkgebilde als Grundlage dafür. Wenn ein Arzt eine Krankheit diagnostiziert, tut er das auf Basis des Fachwissens, auf Basis eines gedanklichen Konstruktes und nicht angetrieben durch Selektionserfolg und dergleichen.”

    Das bestreitet ja auch niemand. Natürlich können wir vernunftbegabt entscheiden. Nur beruht eben einiges an dem, was wir als vernünftig ansehen, auf biologisch begründeten Wünschen. Ich finde da die Metapher des “Führens durch Auftrag” der Gene (bzw der darin enthaltenen Informationen) nicht schlecht. Solange unser Handeln mit diesem biologischen Auftrag nicht kollidiert, was beim Wecker und dem zur Arbeit kommen nicht der Fall ist. Die Ausübung des Arztbesuchs steht auch nicht im Widerspruch, im Gegenteil, es ist ein statusbildender Beruf.

    “Ich persönlich nehme mir die Freiheit, in diesem Punkt als Alltagsmensch mich nicht nach der Wissenschaft zu richten.”

    Wenn jemand sagt, dass er einen anderen Ansatz verfolgt und die Pros und Cons dafür prüfen möchte, dass kann ich nachvollziehen. Aber zu sagen, dass man Wissenschaftlichkeit aufgibt und seine Meinung lieber nach dem richten möchte, was einem als Ergebnis besser gefällt, das ist doch kein Ansatz, den man ernsthaft vertreten kann, das führt zu Beliebigkeit.

    • suwasu says:

      “Aber zu sagen, dass man Wissenschaftlichkeit aufgibt und seine Meinung lieber nach dem richten möchte, was einem als Ergebnis besser gefällt, das ist doch kein Ansatz, den man ernsthaft vertreten kann, das führt zu Beliebigkeit.”

      Das ist ein Irrtum. Das führt nicht zu Beliebigkeit, sondern zur individuellen Selbstdefinition, die unabhängig ist vom Diktat der Experten. Für das, was ich bin, was ich tue und warum ich es tue, nehme ich in Anspruch, es besser zu wissen als die Experten bzw. es selber zu definieren. Als Alltagsmensch interessiert mich Wissenschaftlichkeit nicht und das geht den meisten Menschen genauso. Hier geht es um Freiheit, was auch die Freiheit der Auslegung mit einschließt.

      Nicht selten muss man sich dann anhören, dass die Naturwissenschaft diesbezüglich eine höhere Wahrheit verwaltet. Dann wird unterschieden zwischen Wirklichkeit und Einbildung. Nur die Wissenschaft stelle den Zugang zur Wirklichkeit dar. Wissenschaftstheoretisch lässt sich das alles so nicht halten, einfach, weil es keine vortheoretische Wirklichkeit gibt, die uns zugänglich wäre. Zweitens fehlt es den biologischen Modellen ja deutlich an einem Zugang zum “Seelenleben” des Menschen. In meinen Kopf kannst Du nicht gucken. Daher sind Behauptungen über mein Wollen und Wünschen immer etwas spekulativ, bis hin zur Anmaßung.

      Und das ist der Punkt: Ich trete als Alltagsmensch dieser Anmaßung entgegen. Ich mag als Wissenschaftler gewisse Erklärungsmodelle spannend finden, aber ich bin zuweilen Privatmensch und habe mein Leben zu leben und dort Entscheidungen zu treffen. Und wenn ich für mich selbst das Empfinden habe, meinen Beruf eben überhaupt nicht aus Statusgründen auszuüben, ist das für mich die Wahrheit, ganz gleich, was irgendwelche Evolutionstheoretiker als vermeintlich eigentlichen Antrieb dort behaupten. Denn woher wollen sie wirklich besser wissen, welche Motive ich habe? Sie leiten es aus ihren Modellen ab, aber sie besitzen über meine Motivation keinerlei empirische Kenntnis. Warum soll ich also mir Motive wie Status unterschieben lassen, die ich so nicht sehen kann?

      Nein, das ist kein Plädoyer für Selbstbetrug, zumal ich ein großer Zweifler und Skeptiker bin. Nur muss man eben auch irgendwo mal einen Punkt machen. Selbstbetrug ist eher, zu glauben, die Biologie enthülle die einzig wahre Wahrheit über das Wesen des Menschen und man habe somit den festen Punkt im Universum gefunden, an dem man sich orientieren kann. Das gelingt ja nur durch Ausblendung aller wissenschaftstheoretischen Einwände und auch der Ausblendung des Bedürfnisses nach diesem festen Punkt. Die Behauptung, man vertrete die reine Vernunft, ist ja nach Deinem Denken an sich schon paradox, da sie nur Vehikel biologisch begründeter Wünsche sein kann. Diese kontaminieren die Vernunft, das geht begrifflich gar nicht anders. Aber dann sollte man eben mal die Interessen durchleuchten, die hinter der Betonung des vermeintlich uneingeschränkten Realismus stehen, zumal diese Realität keine Interessefreiheit kennt laut Evolutionstheorie.

    • @suwasu

      Einen Standpunkt, den ich besser verstehen würde, wäre:

      “Ich kann momentan die in Teilen der Wissenschaft vertretenen Punkte nicht mit meinen eigenen Erfahrungen in Einklang bringen. Das bringt mich zu dem Gefühl, dass diese Punkte fehlerhaft sind. Ich suche derweil nach diesen Fehlern, habe auch Ideen, wo diese liegen und hoffe zur gegebenen Zeit die Fehlerhaftigkeit nachzuweisen und eine bessere Theorie formulieren oder darstellen zu können, die dann auch im Einklang mit der Wissenschaft steht und die Argumente der Teile der Wissenschaft, bei denen ich gegenwärtig ein schlechtes Gefühl habe entkräften kann”

      Wenn du das meinen würdest, dann hätte ich damit überhaupt keine Probleme. Im Gegenteil: Ein Hinterfragen von Theorien ist immer gut. Entweder hilft es Fehler zu finden oder es hilft dabei, die andere Theorie noch besser zu verstehen.

      • suwasu says:

        Christian,

        es geht hier nicht um die Verbesserung von Theorien, sondern um Individualität, Freiheit und Selbstdefinition. Da spielt es erst einmal keine Rolle, ob es in der Theorie Fehler gibt und ob man diese korrigieren könnte. Da spielen erstens Ansprüche eine Rolle: mein Anspruch, ein halbwegs autonomes Individuum zu sein vs. der Anspruch mancher Wissenschaft, alles über mich zu wissen. Zweitens spielen gewissermaßen philosophische Fragen eine Rolle: Wie lebe ich und auf welcher Basis entscheide ich? Wie unterscheide ich zwischen Trugbild und Wirklichkeit, obwohl alles in meinem Kopf stattfindet? Wo finde ich also einen festen Punkt, eine Grundlage des Urteilens im Alltag, ohne aber meine Selbstbestimmung aufzugeben?

        Das sind Fragen, die sehr, sehr weit über das Thema “Fehler in der Theorie” hinausgehen, das sind Fragen des täglichen Lebens. Und aus diesen speist sich meine Kritik und mein Standpunkt.

      • “es geht hier nicht um die Verbesserung von Theorien, sondern um Individualität, Freiheit und Selbstdefinition. Da spielt es erst einmal keine Rolle, ob es in der Theorie Fehler gibt und ob man diese korrigieren könnte”

        Das macht es dann aber zu einer reinen Glaubensfrage, rationalen Begründungen vollkommen enthoben oder nicht?

    • “und wenn ich für mich selbst das Empfinden habe, meinen Beruf eben überhaupt nicht aus Statusgründen auszuüben, ist das für mich die Wahrheit, ganz gleich, was irgendwelche Evolutionstheoretiker als vermeintlich eigentlichen Antrieb dort behaupten. Denn woher wollen sie wirklich besser wissen, welche Motive ich habe? ”

      Dein Empfinden kann doch auch wahr sein. Nur eben auf einer anderen Ebene. Natürlich denkst du bei leckeren Essen, dass es dir schmecken wird und nicht, dass es sich aus diesen oder jenen Nährstoffen zusammensetzt, deren Geruch und Geschmack entsprechend übersetzt wird. Der evolutionäre Zweck auf diesen geruch und Geschmack anzusprechen entwertet deine Empfindung als “lecker” doch in keiner Weise.

      Wenn du arbeitest um Geld zu verdienen, dann entwertet es diesen Wunsch ja auch nicht, wenn deine Arbeit gleichzeitig auf einer anderen Ebene eine gesellschaftliche Funktion erfüllt. Diese Funktion kann dir egal sein, sie ist aber der Anlass, warum es deinen Job gibt und du mit ihm Geld verdienen kannst.

      Der Grund der Selektion muss sich nicht in dem Wunsch niederschlagen. Beides ist entkoppelt.

      Dennoch gibt es Rationalisierungen. Dazu gibt es interessante Studien:

      Das Selbst als biologisches System

      One of the most dramatic demonstrations of the illusion of the unified self comes from the neuroscientists Michael Gazzaniga and Roger Sperry, who showed that when surgeons cut the corpus callosum joining the cerebral hemispheres, they literally cut the self in two, and each hemisphere can exercise free will without the other one’s advice or consent. Even more disconcertingly, the left hemisphere constantly weaves a coherent but false account of the behavior chosen without its knowledge by the right. For example, if an experimenter flashes the command “WALK” to the right hemisphere (by keeping it in the part of the visual field that only the right hemisphere can see), the person will comply with the request and begin to walk out of the room. But when the person (specifically, the person’s left hemisphere) is asked why he just got up, he will say, in all sincerity, “To get a Coke” — rather than “I don’t really know” or “The urge just came over me” or “You’ve been testing me for years since I had the surgery, and sometimes you get me to do things but I don’t know exactly what you asked me to do.” Similarly, if the patient’s left hemisphere is shown a chicken and his right hemisphere is shown a snowfall, and both hemispheres have to select a picture that goes with what they see (each using a different hand), the left hemisphere picks a claw (correctly) and the right picks a shovel (also correctly). But when the left hemisphere is asked why the whole person made those choices, it blithely says, “Oh, that’s simple. The chicken claw goes with the chicken, and you need a shovel to clean out the chicken shed.” The spooky part is that we have no reason to think that the baloney-generator in the patient’s left hemisphere is behaving any differently from ours as we make sense of the inclinations emanating from the rest of our brains. The conscious mind — the self or soul — is a spin doctor, not the commander in chief. Sigmund Freud immodestly wrote that “humanity has in the course of time had to endure from the hands of science three great outrages upon its naïve self-love”: the discovery that our world is not the center of the celestial spheres but rather a speck in a vast universe, the discovery that we were not specially created but instead descended from animals, and the discovery that often our conscious minds do not control how we act but merely tell us a story about our actions. He was right about the cumulative impact, but it was cognitive neuroscience rather than psychoanalysis that conclusively delivered the third blow. Cognitive neuroscience is undermining not just the Ghost in the Machine but also the Noble Savage. Damage to the frontal lobes does not only dull the person or subtract from his behavioral repertoire but can unleash aggressive attacks. That happens because the damaged lobes no longer serve as inhibitory brakes on parts of the limbic system, particularly a circuit that links the amygdala to the hypothalamus via a pathway called the stria terminalis. Connections between the frontal lobe in each hemisphere and the limbic system provide a lever by which a person’s knowledge and goals can override other mechanisms, and among those mechanisms appears to be one designed to generate behavior that harms other people.

      Haidt hat in seinem Buch The Righteous Mind auch einiges dazu geschrieben.

      • Seitenblick says:

        @Christian
        >Der Grund der Selektion muss sich nicht in dem Wunsch niederschlagen. Beides ist entkoppelt.

        Eben. Oder andersrum: Es existieren manchmal Koppelungen i.S.v. Auswirkungen von Motiven und Handlungen, von denen das Individuum nichts weiß, die für es auch nicht ausschlaggebend wären bei der Auswahl seiner Handlungen, die aber dennoch vorhanden sind. Ja.
        Aber nochmal: Dadurch wird nicht die gekoppelte Auswirkung zum Akteur. Dein Geschmacksbeispiel zeigt das gut: Natürlich hat sich eine Geschmackskodierung durchgesetzt, die eben nicht die giftige Beere wohlschmeckend findet. Die gab es vielleicht auch, aber die ist aus nachvollziehbaren Gründen verschwunden ;-).

        Aber wenn eine Kochkultur den Einsatz raffinierter Gewürze fördert und Geschmackserlebnis emergent zum relativen Selbstzweck des Genusses werden kann, dann gehört die Überlegenstauglichkeit zwar in die Genese dieser Dimension. Sie erklärt aber nicht ihre Ausdifferenzierung und Fortentwicklung, die bis zu einer Theorie des Genusses laufen kann.

        Nebenbei: Damit bestreite ich nicht, dass es nicht auch Rationalisierungen geben kann.

      • djadmoros says:

        @Christian:

        »Das macht es dann aber zu einer reinen Glaubensfrage, rationalen Begründungen vollkommen enthoben oder nicht?«

        Richtig, aber das ist systematisch unvermeidlich und auch ein Grund, warum reine Glaubenswahrheiten niemals aussterben werden: Glaubenswahrheiten orientieren das Individuum in Situationen von begrenztem Wissen, »bounded rationality«. Egal, ob ein Akteuer über seine Handlungssituation vollständig oder auch nur hinreichend informiert ist, es kann sein, dass er handeln *muss*. Dann trifft er Entscheidungen auf der Basis von Glaubenswahrheiten. Dass das Handeln dadurch »faktenresistent« wird, kann auch ein Vorteil sein: ohne den »faktenresistenten« Glauben an die eigene göttliche Bestimmung hätten die Pilgerväter von 1620 nach dem ersten Winter in Amerika vielleicht wieder aufgegeben.

        Eine Nummer kleiner passt das auch auf Lomis Standpunkt: selbst wenn ich ein wissenschaftliches Wissen abrufen *könnte*, kann es Gründe geben, warum ich das nicht tue – das kann der ganz banale Grund sein, dass ich neben Arbeit und Familie schlicht keine Zeit dafür habe. Natürlich endet das dort, wo mein Handeln anfängt, anderen zu schaden – aber so lange das nicht der Fall ist, handelt es sich um die eigene Freiheit und Selbstverantwortung.

        »Dennoch gibt es Rationalisierungen.«

        Die Befunde zur »Rationalisierung« sind ja nicht falsch, aber sie sind erst die halbe Wahrheit. Das bewusste Selbst ist ein »spin doctor«, wenn es um den Bezug zu etablierten Verhaltensroutinen geht. Aber erstens bedeutet das nicht, dass diesen Verhaltensroutinen ein genetisches, evolutionär entstandenes Programm zugrunde liegt, sondern es kann auch ein vergessener Lernprozess aus der individuellen Geschichte der betreffenden Person sein. Hier schon »Gene« oder »Evolution« zu unterstellen, wäre ein Kategorienfehler, ein Fehlschluss von Ontogenese auf Phylogenese, und ich habe den Eindruck, dass Du diesem Fehlschluss sehr systematisch erliegst.

        Und zweitens gibt es eben auch die Situationen, wo Handeln durch Orientierung an Ideen oder expliziten Handlungsplänen generiert wird, und hier liegt darum keine »Rationalisierung« vor, weil ein situationsspezifisches »Handlungsprogramm« noch gar nicht existiert, sondern erst im Begriff ist, geschaffen zu werden. Und genau das ist der biologische Sinn der neuronalen Plastizität: eine feinkörnige *Verhaltensplastizität* zu ermöglichen, wie sie durch »Festverdrahtung« nicht erreicht werden kann.

      • @djadmoros

        Plastizität an sich bestreite ich ja gar nicht. Allerdings gibt es eben deutliche Anzeichen dafür, dass diese nicht umfassend vorliegt.
        Ein simples Beispiel ist Heterosexualität / Homosexualität.
        Plastizität würde hier eine “korrektur” der sexuellen Ausrichtung ermöglichen, die aber so bisher überall gescheitert ist.
        Aus evolutionärer Sicht ist es auch recht einfach, dies einzuordnen: Plastizität ist nur da sinnvoll, wo flexibel sein einen Vorteil auf der Selektionsebene bringt. In den Bereichen, wo das nicht der Fall ist, lohnt sich Stabilität.

        Heterosexualität ist nachvollziehbar besser als Flexibilität, was die Weitergabe von Genen angeht.

        Bei vielen Punkten im menschlichen Verhalten ist dies auch so. Weswegen sich gewisse menschliche Universalien herausgebildet haben.
        Auch bei Geschlechterrollen ist dies zu einem Teil der Fall. Als Frau weniger stark zu sein kann einen Vorteil bieten, weil man dann bestimmte Arbeiten nicht erledigen kann bzw. nur in der Not ausführen wird, die zu gefährlich für zB eine schwangere Frau sind. Das gilt für mentale Prozesse genauso. Etwa die Reaktion auf das Kindchenschema im stärkeren Maße unter Einfluss von Östrogenen etc.

        Für den Bezug auf die Neuzeit: Ja, deutliche Umwälzungen in Bezug auf Kultur können dazu führen, dass eine Entwicklung zu mehr Plastizität besser gewesen wäre. Nur kann Selektion nicht in die Zukunft blicken und ist sehr langsam. Wenn in der Vergangenheit fehlende Plastizität günstiger war, dann muss eben erst ein für eine Selektion hinreichender Zeitraum vorliegen um das Resultat zu ändern. Ein gutes Beispiel ist der Dodo. Fliegen können hätte ihn vor dem Aussterben bewahrt als der Mensch eintraf. Dieser Umstand ist aber in der Selektion schlicht ohne Bedeutung, wenn der Zeitraum, in dem keine Fressfeinde vorlagen, lange genug anhielt.

        Man kann also nie argumentieren, dass man im heute besser zurechtkommen würde, wenn man mehr plastizität hätte, wenn das im Damals keine Vorteile oder sogar Nachteile in Hinblick auf eine Anreicherung entsprechender Gene im Genpool gegeben hätte

        Plastizität ist nicht per se ein Selektionsvorteil. genau so wenig wie freies Denken.

        Es hilft häufig sich die Zeitliinien bewußt zu machen. Die steinzeit ist sehr sehr nahe bei evolutionärer Betrachtung. Die Sesshaftigkeit und der Ackerbau sind in dieser Betrachtung vollkommen neue Vorgänge. Die Neuzeit dauert gerade mal evolutionäre Sekunden an. Hier einmal die Generationen auszurechnen verdeutlicht das noch mehr.
        Daneben bitte auch noch vergegenwärtigen, wie selten Mutationen sind und wie umfassend bestimmte Änderungen sein müssen, um auf eine moderne Welt zu reagieren

      • djadmoros says:

        @Christian:

        »Plastizität an sich bestreite ich ja gar nicht. Allerdings gibt es eben deutliche Anzeichen dafür, dass diese nicht umfassend vorliegt.«

        Ich bin auch der Meinung, dass nicht *alle* Verhaltensdispositionen plastisch sind, und würde auch geschlechtsspezifische Dispositionen als Kandidaten für relativ fixierte Dispositionen halten – was sich freilich nicht zwingend als Determinismus äußert, sondern häufig als *Konflikt*. Menschenaffen haben solche »Triebkonflikte« (oder eohl besser: Trieb-Regel-Konflikte) nicht, die hat nur der Mensch.

        »Plastizität ist nicht per se ein Selektionsvorteil. genau so wenig wie freies Denken«

        Plastizität erweitert einfach die Bandbreite an Nischen oder Umwelten, an die ein Organismus sich anpassen kann. Was beim Menschen dazu führt, dass er je länger je mehr einem selbsterzeugten Selektionsdruck ausgesetzt ist.

        »Es hilft häufig sich die Zeitliinien bewußt zu machen. Die steinzeit ist sehr sehr nahe bei evolutionärer Betrachtung.«

        Mir ist nicht klar, was Du mit Deinem Verweis auf die Zeiträume eigentlich sagen willst. Denn ich sage ja (wir hatten das Thema schon öfter) selbst nichts anderes. Nur sehe ich diese Zeiträume eben von der anderen, der kulturellen Seite her: gerade *weil* diese Zeiträume so kurz sind, haben die Mechanismen der biologischen Evolution keine Auswirkungen mehr auf den Menschen. Bildlich ausgedrückt: in bezug auf den Menschen und seine kulturelle Entwicklungsgeschwindigkeit ist die biologische Evolution vor 50.000 Jahren sozusagen in Zeitlupe erstarrt – das kannst Du Dir wie in »Inception« vorstellen, falls Du den Film gesehen hast. Was es natürlich immer noch gibt, sind menschliche Dispositionen, die vor 50.000 Jahren bereits *fertig* waren – alles, was die biologische Evolution bis dahin in den Menschen hineingepackt hatte, ist natürlich auch heute immer noch drin.

        Am Satz »Der Mensch ist evolutionär entstanden« ist daher das Partizip Perfekt das Wichtigste. Er *ist entstanden*. Er entsteht nicht mehr. Es sei denn, im Medium der Kultur und auf Basis der neuronalen Plastizität.

        Von da an gibt es beim Menschen zwar immer noch genetische Veränderungen – sogar vermehrt – aber die sind sozusagen nur noch der genetische Staub, der von den schnelldrehenden Rädern der Kultur aufgewirbelt wird. Sie nehmen keine Weichenstellungen für Entwicklungsprozesse mehr vor und sie verändern auch seine Verhaltensdispositionen nicht mehr – sie betreffen seine Verdauung und seine Krankheitsresistenz, was zum Teil katastrophale Auswirkungen hatte. Aber nicht die Pocken haben die Conquistadoren, sondern die Conquistadoren haben die Pocken nach Amerika gebracht.

      • @djadmoros

        “Was es natürlich immer noch gibt, sind menschliche Dispositionen, die vor 50.000 Jahren bereits *fertig* waren – alles, was die biologische Evolution bis dahin in den Menschen hineingepackt hatte, ist natürlich auch heute immer noch drin.”

        da wäre ja dann die Frage, was das war. Das kann ja ziemlich weitreichend sein, denn menschliche Interaktion gab es ja damals auch schon in jeder Form, gerade das Geschlechterverhalten hatte die gleichen Probleme, Status war auch damals wahrscheinlich schon ein Partnerwahlmerkmal etc.

        ich glaube du unterschätzt da die Reichweite und die Übertragbarkeit bzw den Umstand, dass neues alte Bereiche betreffen kann. Ob man Status als guter Jäger oder als Abteilungsleiter aufbaut ist eben nur eine andere Ausformung, es ist nicht von den alten Routinen frei, nur weil es ein Bereich ist, den es früher nicht gab. Ob man eine Holzhütte oder einen Wolkenkratzer baut, beide unterliegen den gleichen Gesetzen der Physik. Das ist in der Biologie nicht anders.

      • ” gerade *weil* diese Zeiträume so kurz sind, haben die Mechanismen der biologischen Evolution keine Auswirkungen mehr auf den Menschen”

        Wie soll das denn biologisch laufen? Wenn es keine biologische Veränderung gibt, dann gelten die alten Mechanismen fort. Irgendwie muss man mit ihnen dann in der Neuzeit zurechtkommen,
        Beispiel: Es gibt keinen Grund mehr, auf Vorrat zu essen in der 1. Welt. Der biologische Mechanismus fällt dadurch aber nicht weg. Wir essen trotzdem gerne auf Vorrat und müssen uns abmühen unser Gewicht zu halten.

      • djadmoros says:

        @Christian:

        »da wäre ja dann die Frage, was das war. Das kann ja ziemlich weitreichend sein, denn menschliche Interaktion gab es ja damals auch schon in jeder Form, gerade das Geschlechterverhalten hatte die gleichen Probleme, Status war auch damals wahrscheinlich schon ein Partnerwahlmerkmal etc.«

        Der Punkt ist: was immer da an Antrieben und fixen Dispositionen übrig geblieben ist, kann sich nicht unmittelbar durchsetzen, sondern unterliegt, freudianisch gesprochen, einer Über-Ich-Zensur. Menschen werden von Anfang an in ein Universum von Regeln hineinsozialisiert, und sie lernen, die Erwartungen anderer in ihrem Verhalten zu berücksichtigen (die Grunddisposition zur kooperativen Rücksichtnahme ist sogar selbst angeboren, denn sie findet sich bereits bei Kleinkindern im vorsprachlichen Alter ohne entwickeltes Regelverständnis).

        Genau darum kann es ja vorkommen, dass Männer sich beispielsweise mit Vierzig eingestehen schwul zu sein, oder beispielsweise Frauen in demselben Alter, dass sie masochistische Neigungen haben. Die Neigung war immer schon da, aber sie wurde zensiert, oder war gesellschaftlich tabu und damit von vornherein »wortlos«, nicht artikulierbar, usw.

        Und ein weiterer Punkt (das Thema hatten wir auch schon) ist die Objektwahl: das, worauf sich diese Dispositionen richten, ist nicht starr festgelegt. »Status« beispielsweise impliziert zunächst mal nur, dass ich jemanden als Autorität anerkenne, von der ich etwas lernen will und deshalb ihre Meinungen übernehme. Die älteste Statusrolle ist die Altersrolle, weil sich bei den Alten das meiste Wissen akkumuliert hat. Dann gibt es den erfolgsbedingten Status, der eine »Charismatisierung« des Erfolgreichen voraussetzt: der Erfolgreiche ist von den Göttern begnadet. Ohne diese Charismatisierung ist es kein Status, sondern reines Nutzenkalkül aus Interessenlage. Beides kann zusammengehen: dann wird das Angenehme (die »Gnadengabe« des Statusträgers färbt auf mich und mein Selbtwertgefühl ab) mit dem Nützlichen verbunden (er versorgt mich gut, ich kann an seinem Tisch essen, das betrifft nicht nur Frauen, sondern z.B. auch männliche Kriegergefolgschaften).

        Das heißt: »Kultur« ist keine Option, die der Mensch wahrnimmt, wenn er mit seinen biologischen Antrieben und Gefühlsregungen nicht weiterkommt. Sondern diese existieren stets nur in kultureller Deutung und kulturellem Objektbezug. Ohne »Kultur« scheitert die menschliche Ontogenese, dann kommt der »Wilde von Aveyron« oder Kaspar Hauser dabei heraus. Sie sind paradoxerweise beides: zugleich »sozial konstruiert« und vorgegeben. Der Mensch kann sie nicht auslöschen, aber er kann sie verdrängen, verbiegen, umlenken, sublimieren – oder eben »ausleben«!

      • djadmoros says:

        @Christian:

        »Wie soll das denn biologisch laufen? Wenn es keine biologische Veränderung gibt, dann gelten die alten Mechanismen fort.«

        Tun sie auch, Essen ist ein gutes Beispiel. Aber es kommen neue, nämlich kulturelle, Mechanismen hinzu, in die die alten eingebaut werden. Und zwar in variablen Ausprägungen. Und weil das nicht immer harmoniert, gehört der sogenannte »Triebkonflikt« zu den menschlichen Universalien. Einschließlich des »Ich-bin-zu-dick-aber-es-schmeckt-so-gut«-Konflikts! 🙂

      • @djadmoros

        Okay, soweit scheinen wir gar nicht auseinander zu liegen. Einen Triebkonflikt würde ich auch sehen.
        Als Ergänzung allerdings sollte man sich bewußt machen, dass es häufig keinen Konflikt gibt. Wir wollen einen gewissen Status sowohl biologisch als auch logisch. Wir wollen gemocht werden, wir wollen Sex mit attraktiven Partnern. Wir setzen es nur anders um als früher.

  5. Pingback: Folgt aus den biologischen Theorien, dass soziale Geschlechtergerechtigkeit irrelevant ist? | Alles Evolution

  6. JC Denton says:

    “Freilich gelingt das nur unter Ausblendung der Prämissen des Ökonomismus, welcher an einem egoistischen, aber bewusst kalkulierendem Individuum ansetzt. Der homo ökonomicus kann frei wählen, abgesehen davon, dass er von Natur aus immer seinen Vorteil sucht.”

    Der homo oeconomicus ist ein Nutzenmaximierer, wobei der Begriff des “Nutzens” weit gefasst wird. Auch das Wohlbefinden anderer Menschen kann nutzensteigernd oder -senkend wirken. Dieser Aspekt kommt in der Wirtschaftswissenschaft aber nur am Rande vor, weil diese sich nunmal um Geld und Güter dreht.

    • suwasu says:

      Das ist nicht der springende Punkt. Wichtig ist, dass der homo oeconomicus ein Vernunftmensch ist, der auf rational entscheidet.

      • JC Denton says:

        Das ist vielleicht nicht der springende Punkt, aber die Darstellung des homo oeconomicus als Egoisten, der nur seinen eigenen Vorteil sucht, wird dadurch nicht richtiger.
        Zum Thema des Posts: Ich bin vor kurzem auf ein Buch gestoßen, das genau diesen Widerspruch des Menschen, auf der einen Seite ein biologischer Roboter mit Reproduktionsauftrag und gleichzeitig ein autonomes Wesen mit eigenen Gedanken und Interessen zu sein, aufzulösen versucht. Ich habe es noch nicht gelesen, aber es scheint mir sehr interessant.

      • suwasu says:

        Das ist bestimmt ein interessantes Buch.

        “auf der einen Seite ein biologischer Roboter mit Reproduktionsauftrag und gleichzeitig ein autonomes Wesen mit eigenen Gedanken und Interessen zu sein”

        Der Punkt ist und bleibt, dass wir keinen Auftrag haben, sondern einfach ein bestimmtes Verhaltensmuster. “Auftrag” suggeriert wider besseren Wissens Intention und Bewusstheit. Seltsam, dass es nicht gelingt, diese irreführende Metaphorik zu vermeiden.

        Aber letzten Endes ist es für mich als Alltagsmenschen vollkommen irrelevant, was Biologen oder Philosophen meinen und ob sie dieses Problem gelöst bekommen. Und darum ging es mir. Würde ich die Frage nach meinen Motiven, Interessen und Entscheidungen den Wissenschaftlern überlassen, wäre ich fremdgesteuert. Ich erhebe aber den Anspruch einer zumindest partiellen Selbststeuerung. Ich mag meinen Trieb nicht abwählen können, aber ich wähle meinen Beruf, meine Freunde, mein Wohnumfeld usw. Für diese WAhlen brauche ich keine Experten, die mir erklären, warum ich sie treffe. Ich treffe sie einfach. Und zuweilen lehne ich eben die Anmaßung der Experten ab, die nicht merken, dass ihre Wirklichkeitsvorstellung auf metaphysischem Boden stehen: Sie glauben einen unmittelbaren Zugang zur Wirklichkeit zu haben, was angesichts unseres Wahrnehmungsapparates deutlich nicht der Fall ist (u.a. auch durch die Hirnforschung selbst belegt, dass das Hirn nicht einfach die Welt da draußen abbildet). Ich bezweifle nicht, dass die Wissenschaft recht hat, weil ich den gleichen Glauben teile, teilweise. Aber begründen kann ich es nicht und die Experten auch nicht, daher sollten die Experten sich in Bescheidenheit üben, wo sie beginnen, mehr über mich wissen zu wollen als ich selbst.

      • Cyrano says:

        Problematisch allerdings auch, wenn die Nutzensmaximierung zu weit gefasst wird. Erlebt man auch oft, gerade bei Wirtschaftsliberalen. Wo alles zu Nutzen wird ist die Theorie nicht mehr falsifizierbar, daraus entspringen dann Glaubenssätze wie “alles Handeln ist egoistisch”.

      • JC Denton says:

        “Der Punkt ist und bleibt, dass wir keinen Auftrag haben, sondern einfach ein bestimmtes Verhaltensmuster. “Auftrag” suggeriert wider besseren Wissens Intention und Bewusstheit. Seltsam, dass es nicht gelingt, diese irreführende Metaphorik zu vermeiden. ”

        Ich formuliere um: “biologische Roboter mit Geschlechtstrieb”. Die Metaphorik ist in der Tat sehr verlockend, warum auch immer.

        “Würde ich die Frage nach meinen Motiven, Interessen und Entscheidungen den Wissenschaftlern überlassen, wäre ich fremdgesteuert.”

        “Würde ich die Frage nach meinen Motiven, Interessen und Entscheidungen den Wissenschaftlern überlassen, wäre ich fremdgesteuert.”

        Auf der einen Seite geb ich dir recht, dass man Experten nicht die Deutungshoheit überlassen sollte, auf der anderen erscheinst du mir so ein bisschen wie jemand, der nicht glauben will, dass Menschen von Affen abstammen, weil er dadurch die besondere Stellung des Menschen (und damit auch seine eigene) in der göttlichen Weltordnung gefährdet sieht. In der gleichen Weise verteidigst du die besondere Stellung deines Ichs.

      • suwasu says:

        Nein, das ist ein falscher Eindruck. Aber im Alltag hat mein Ich Vorrang, denn ich kann nicht jedes Mal, wenn ich handeln muss, Lehrbücher wälzen. Man darf bei aller Theoriefreude (die ich als Wissenschaftler auch habe) nicht vergessen, dass der Alltagsmensch sein Leben leben muss. Er muss es auch als Person leben, dazu muss er sich auch selber definieren.

        Seltsamer Weise hat sich der Gedanke in den Diskussionen herauskristallisiert, als würden Menschen an sich die Evolution leugnen. Das erscheint mir als Reflex auf den Kreationismus. Ich glaube aber nicht, dass wir dieses Problem in Deutschland wirklich haben. Ich habe auch schon oft betont, dass ich die Existenz von Naturgesetzen ebenfalls annehme. Das Problem der Personalität ist damit nur nicht gelöst, vor allem in praktischer Hinsicht. Leider haben aber einige Diskutanten dann immer mit dem Vorwurf gearbeitet, das Bekenntnis zur Evolution sei nur ein Lippenbekenntnis. Die Kritik an der Erklärungskraft mancher Darstellungen wird damit zur Taktik, teilweise wird sie auch psychologisiert. Das ist ziemlich ignorant gegenüber den von vielen Kritikern aufgeworfenen Problemen, die sie trotz allgemeiner Anerkenntnis der Wissenschaft aufwerfen.

        Ich schreibe mir keine quasi göttliche Stellung zu, wenn ich meinem ICH im Alltag einen Vorrang einräume. Anders als irgendein Gott bin ich nicht frei, zu gestalten. Gott könnte die Welt nach seinem Wunsch umbauen. Ich als Alltagsmensch muss aber unter den gegebenen Bedingungen handeln, was sehr oft heißt, Wahlen zu treffen, also auch Kriterien dafür zu entwickeln, welche Entscheidung für mich richtig ist..

        Christian räumt ja selbst ein, dass die “Aufträge” der Gene nur grobe Richtungen vorgeben. Im Einzelnen, in der konkreten Situation aber kann man daraus keine hilfreichen Informationen ziehen, um sich vernünftig zu entscheiden. Hier muss eben doch das Individuum denken und wenigstens teilweise autonom sein. Ich denke, die Evolutionsmodelle von Christian sind diesbezüglich allzu abstrakt, halt theoretisch und zu wenig bezogen auf konkret-empirische Sachverhalte.

      • JC Denton says:

        “Problematisch allerdings auch, wenn die Nutzensmaximierung zu weit gefasst wird. Erlebt man auch oft, gerade bei Wirtschaftsliberalen. Wo alles zu Nutzen wird ist die Theorie nicht mehr falsifizierbar, daraus entspringen dann Glaubenssätze wie “alles Handeln ist egoistisch”.”

        Problematisch ist eher der Versuch, Nutzen zu quantifizieren. Da Nutzen höchst subjektiv ist, kann der Begriff auch alles mögliche umfassen, solange es für die menschliche Entscheidungsfindung relevant ist. Wenn jemand behauptet, alles Handeln wäre egoistisch, dann würde ich zuerst mal nach seiner Definition von “egoistisch” fragen.

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  10. Lusru says:

    Da lese ich, gewissermaßen als Quintessenz des gesamten Textes, das hier:
    “Doch auf selbige lasse ich mich nicht reduzieren, denn eine solche Expertokratie der Identitätsbestimmung ist letztlich ein unfreies System. Ich werde aber kein unfreies System (Feminismus) durch ein anderes unfreies System (biologisch begründete Geschlechterordnung) ersetzen helfen. Ich werde im Alltag auch die Deutungshoheit irgendwelcher Wissenschaftler nicht akzeptieren. Das mag man ignorant finden. Ich nenne es Freiheit und Selbstbestimmung. Diese ist übrigens erst Grundlage dafür, wissenschaftlich arbeiten zu können, sprich: sich loslösen zu können von seinen ureigenen Interessen (z.B. Sex und Status), um zu objektiven Einsichten zu finden. Eine Wissenschaft, die sich nicht davon freimachen könnte, wäre nicht verlässlich.”
    Kann es sein, daß allein diese Textsequenz “unfrei” ist?
    Warum?
    Nun, sie ist selber eine “Expertokratie” auch eine der “Identitätsbestimmung”, die des Autors, oder doch nicht? Wovon er eben nicht “frei” ist, wie auch?
    Weiter beinhaltet sie die Behauptung, daß Wissenschaft(ler) sich von ihrem Ziel / Anliegen “befreien muß”, um “wissenschaftlich tätig” sein zu können – ohne Ziel?
    Mit Wissenschaftlern ohne (eigenen) Zielen?
    Ein Nobelpreisträger, der sich von “seinen Interessen befreit” haben soll?
    Was ist das denn, die Triebkraft jeder Wissenschaft eliminieren um wissenschaftlich tätig werden zu können und das auch noch als Quasi-objekti zu bezeichnen?

    Der Artikel liest sich trotzdem insgesamt gut und flott.
    Und genau so flott wie bei Nietzsche ist alles an Schlußfolgerungen wieder im Eimer, gewissermaßen in der zirkelschlüssigen Selbstzerfledderung, wenn man genau diese Schlußfolgerungen auf sie selber ernsthaft zur Anwendung bringt.
    Also dennoch:
    Ein interessantes engagiertes Statement, etwas fürs gehobene Feuilleton, fast eher “feinsinnige” selbstbestimmte weil nur (sich) selbstbestimmende Satire.

    • suwasu says:

      Na, ich glaube, dass Du “Ziele” hier zu groß definierst. Ich hatte entsprechende Ziele genannt: Sex und Status. Damit meine ich also ganz individuelle, rein alltagsmenschliche Ziele. Würde ich die zur Prämisse von Wissenschaft machen, würde ich Theorien produzieren, die mein Handeln legitimieren, auch gegen besseres Wissen. Aber von diesen sehr persönlichen Wünschen muss Wissenschaft sich frei machen, damit sie objektiv sein kann.

      Damit eliminiere ich nicht die Triebkraft der Wissenschaft, deren Antrieb eine gewisse Wahrheitssuche ist und eben nicht der Versuch, so eine Frau abzubekommen.

      “Nun, sie ist selber eine “Expertokratie” auch eine der “Identitätsbestimmung”, die des Autors, oder doch nicht?”

      Nehmen wir mal an, ich sei ein Experte. Dann bin ich ja noch lange kein -krat, denn ich verfüge über keinerlei Macht, meine hier getätigten Aussagen in Politik umzumünzen.

      Aber der wesentliche Punkt ist eigentlich der: Ich behaupte, dass ich dem Streben nach Sex und Status nicht ausgeliefert bin. Wäre ich das, wäre alle Wissenschaft eben nur Instrument der Erfüllung dieser Triebe. Ich kann aber wählen, ob ich für den Moment den Sextrieb zurückstelle oder nicht. Während ich wissenschaftlich arbeite, stelle ich den Trieb zurück. Es ist also nicht so sehr als Norm zu verstehen, sondern als Kriterium für die Bestimmung von (eingeschränkter) Wahlfreiheit.

      • Lusru says:

        “Na, ich glaube, dass Du “Ziele” hier zu groß definierst. Ich hatte entsprechende Ziele genannt: Sex und Status. Damit meine ich also ganz individuelle, rein alltagsmenschliche Ziele.”
        “Eine Frau abzubekommen”?
        Was ist denn das für eine vorjahrhundertliche Vorstellung von individuellen Zielen?
        Erstens:
        Es gibt nichts wichtigeres als Sex und Status, und das in jedem Leben. Das sind wichtige Triebkräfte, die individuellsten, die es neben Elementarbedürfnissen gibt und die (neben der biologischen Funktionsfähigkeit) die gesamte Sozialität wesentlich mitgestalten. Da Wissenschaft nichts anderes als Produkt von Sozialität (systemisch betrachtet) ist, wird – nicht zuletzt – auch sie davon geschoben, getrieben.
        Zweitens:
        Sex und Status aus dem Alltag von Mensch ausklammern zu wollen, heißt, die soziale Erscheinung Mensch als diese beenden zu wollen.
        Das ist alles Alltag, ist rein alltagsmenschliches Ziel, auch für den Menschen, dem das noch oder nicht mehr bewußt ist. Und zwar ist es das nicht nur biologistisch, sondern vor allem soziologisch, da das Grundbedingungen von und für Kommunikation sind, die die installierte Sozialität von Mensch begründen.
        Drittens:
        “Aber der wesentliche Punkt ist eigentlich der: Ich behaupte, dass ich dem Streben nach Sex und Status nicht ausgeliefert bin” – nun, wenn das so wäre, würdest du nicht davon sprechen.
        Darüber hinaus kannst du das subjektiv durchaus so betrachten und auch glauben, nur eben nicht wissen, denn objektiv bist du (auch biologisch) nur Mensch, ob dir das paßt oder nicht ….
        “Ausliefern” ist eine aktive Angelegenheit, sich liefern, das hast du weitgehend in deiner Hand, allerdings leider nur innerhalb (!) des für jedes Mensch grundsäzlich geprägten und installierten biologischen und sozialen Rahmens.
        Viertens:
        “Ich kann aber wählen, ob ich für den Moment den Sextrieb zurückstelle oder nicht. Während ich wissenschaftlich arbeite, stelle ich den Trieb zurück. ”
        So? Bitte woher weißt du das? Du glaubst doch das nur, daß du etwas “zurückstellst”, real kann es in deiner Ganzheit von Körperlichkeit und Geistigkeit (als System) doch eine Fülle von Vorgängen geben, die du keinesfalls auf Kommando beeinflussen, ja oft nicht einmal bewußt feststellen kannst, also was soll diese “Trieb zurück”-Vorstellung? Allein das “Zurückstellenwollen” ist doch in diesem Moment selber schon Triebkraft zum wissenschaftlichen Tätigwerden.
        Kann es sein, daß du noch sehr jung bist und gelegentlich Dinge zu einfach siehst, frei von den Komplexitäten, die systemisch (wie in einer blackbox) wirken und die Effekte von Ganzheit (gr. Systema), hervorbringen, deren einzelne “freie” ursächlichen Komponenten zwar bekannt, jedoch der erst in deren Zusammenwirken entstehende Systemeffekt (Übersummarität) weder voll durchschaubar noch auf Merkmale einzelner Komponenten (z.B. deines “Willens”, deiner “Wahl”) zurückführbar ist?
        Selbstbestimmung ist ein systemisches Merkmal, es ergibt sich erst als GANZHEITSeffekt, in dem so auch alle biologischen Komponenten bereits wirkend enthalten sind.
        Das Gegenteil von Biologismius wäre, die biologischen Prozesse als abschaltbar in der Selbstbstimmung überhaupt nur anzunehmen, was mit Wissenschaft noch weniger zu tun hätte.
        Selbstbestimmung ist, auf den Punkt gebracht, nichts anderes, als das Produkt des sozial installierten biologischen Wesens Mensch.

      • suwasu says:

        ““Ich kann aber wählen, ob ich für den Moment den Sextrieb zurückstelle oder nicht. Während ich wissenschaftlich arbeite, stelle ich den Trieb zurück. ”
        So? Bitte woher weißt du das? Du glaubst doch das nur, daß du etwas “zurückstellst”, real kann es in deiner Ganzheit von Körperlichkeit und Geistigkeit (als System) doch eine Fülle von Vorgängen geben, die du keinesfalls auf Kommando beeinflussen, ja oft nicht einmal bewußt feststellen kannst”

        Einerseits glaube ich das, natürlich. Ich kann es nicht wirklich wissen. Andererseits kann ich aber Kriterien dafür angeben, nämlich wissenschaftsinterne Vorschriften für Theorien. Sofern ich diesen genüge, kann man meine Theorien als “objektiv” gelten lassen (etwa wenn sie konsistent sind und intersubjektiv nachprüfbar). Dann ist der Trieb in der Theorie nicht präsent. Er beeinflusst die Ergebnisse der Theorie nicht, so, wie er auch die Ergebnisse eines Messinstrumentes nicht beeinflusst. Das ist damit gemeint. Und was wähle ich hier? Ich wähle nicht meinen Trieb als solchen ab, ich wähle die Kriterien der Wissenschaftlichkeit. Das kann ich wählen und damit kann ich auch dem Trieb eine Grenze ziehen, auch wenn der im Untergrund herumrumort.

        “Kann es sein, daß du noch sehr jung bist und gelegentlich Dinge zu einfach siehst”

        Da irrst Du ganz massiv. Ich drücke mich vielleicht missverständlich aus und bringe meine Ideen nicht ganz auf den Punkt, aber ich bin weder jung noch sehe ich die Dinge zu einfach.

        Es ist eher so, dass wir nicht über das Gleiche reden, wie hier:

        “. Da Wissenschaft nichts anderes als Produkt von Sozialität (systemisch betrachtet) ist, wird – nicht zuletzt – auch sie davon geschoben, getrieben.”

        Für mich zählt, dass man wissenschaftsinterne Kriterien hat, die absichern, dass ich keine Gefälligkeitstheorie mache, mit der ich letztlich nur individuelle Triebe befriedige. Das ist der Punkt. In diesem Sinn ist Wissenschaft ein autonomer Sinnzusammenhang, ganz gleich, was mich irgendwo tief im Inneren antreibt. Die sozial betriebene Wissenschaft wird auch nicht durch den Trieb bestimmt, sondern eben durch wissenschaftsinterne Kriterien, die über Reputation entscheiden. Mit dieser Eigenlogik kann sich die Wissenschaft von den Trieben abkoppeln, was ich als Mensch freilich nicht kann. Aber ich kann wählen, dass ich Wissenschaft mache und damit den Trieben verwehre, die Ergebnisse meines Handelns zu diktieren.

  11. Lusru says:

    @suwasu says: October 6, 2014 at 7:08 am
    “Nein, das ist ein falscher Eindruck. Aber im Alltag hat mein Ich Vorrang, denn ich kann nicht jedes Mal, wenn ich handeln muss, Lehrbücher wälzen. Man darf bei aller Theoriefreude (die ich als Wissenschaftler auch habe) nicht vergessen, dass der Alltagsmensch sein Leben leben muss. Er muss es auch als Person leben, dazu muss er sich auch selber definieren.”
    Erhebt sich bei mir zunächst eine Frage:
    Wenn ich im Alltag mein Leben lebe und “handeln muß”, wälze ich dabei etwa keine “(Lehr)Bücher”?
    Sicher kein Papier, aber Bücher, gesammeltes und versammeltes Wissen der Altvorderen und “gleichzeitig Benachbarten”, versammelt in meiner konkreten Erscheinung, schon, unbewußt wie auch bewußt.
    “Alltagsleben” in der TAT gelebt, ist – so würde ich mal meinen – nichts anderes, als pausenlos die “Lehrbücher des Lebens” zu studieren, zu wälzen, da anderenfalls “mein ICH” keine Chance hätte, sich als solches selbst zu erleben …
    Die hier zu denken versuchte “Trennung” von “mir”, “meinem Alltag”, meinem Handeln und “Theoriefreude” ist wohl nur als scheinbare anzusehen, denn bitte wie sollte sich wohl Alltagsmensch mit solch einer etwas kindlich gedachten Trennung dann noch selbst definieren?

    • suwasu says:

      Die Trennung ist eine soziologische. Es geht um die Rolle von Experten, ihrem Geltungsanspruch auf Wahrheit und der Ableitung des Handelns daraus. Natürlich agiere ich aus einem Vorwissen heraus. Aber ich setze mich trotzdem im Moment der Entscheidung als Instanz und gehe nicht zum Philosophen und frage ihn, was ich tun soll. “Experte” ist hier gemeint als Rolle in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, nicht als Produzent von Wissen.

      • Lusru says:

        Danke für deine Erörterung, nur sie greift nicht.
        Allein das “sich als Instanz setzen” ist höchstens eine eng begrenzte hypothetische Modellierung, die bereits mit der Realität des Funktionierens dieser “Setzung”, dieses “Setzens” selbst, nichts mehr zu tun hat.
        Sobald du “setzt”, bist du damit Experte (das ist der Sinn des Setzens, des sich zur “Instanz” zu modellieren), bist du aber auch der philosophisch Agierende, also der Philosoph (also bist du damit sehr wohl “zu diesem gegangen”) und hast nicht nur “arbeitsteilig” gehandelt sondern das alles nur gekonnt, weil du damit systemisch (als Ganzheit) agierst, anders ist weder dir noch anderen überhaupt “Entscheidung” und damit “Selbstbestimmung” möglich.

      • suwasu says:

        Den Zusammenhang verstehe ich nicht.

        Mein Problem hier ist doch ein ganz anderes: Es gibt Leute, die behaupten, zu wissen, was die Wahrheit ist. Diese Leute besitzen zudem einen gesellschaftlichen Status, als Professoren meinethalben. Diesen Leuten spreche ich ab, über mich zu bestimmen in einem Bereich, der ihnen nur über Theorien und Ableitungen zugänglich ist, nämlich meine Psyche.

        Ich spreche hier nicht gegen Expertentum an sich, über die Möglichkeiten, ein Experte zu sein und dergleichen. Ich spreche davon, dass Verabsolutierung von Expertenwissen, dessen unkritische Übernahme mitunter einen totalitären Zug haben kann.

  12. Lusru says:

    @Christian – Alles Evolution
    Übrigens am Rande:
    Wie kommst du eigentlich darauf, daß Feminismus ein “System” sei?
    Soweit ich das gegenwärtig überblicke, gibt es diesen als GANZHEIT (System) nicht.
    Damit ist Feminismus bestenfalls ein Sammelsurium von Absichten oder Vorstellungen, aber kein System, erst recht kein “unfreies”.
    Darauf – wie hier im Text – dennoch bauende Argumente sind also selber “unfreie” (unfrei von subjektiver Sollvorstellung) haben sich somit als gegenstandslos selbst eliminiert.

    • suwasu says:

      Ich komme noch nicht so ganz dahinter, was Du eigentlich letztlich aussagen willst, wenn Du den Vorwurf der “Unfreiheit” erhebst (unfrei von der Sollvorstellung usw.).

      Das Problem am Feminismus ist doch folgendes:
      Egal, wie systematisch oder unsystematisch er ist, beanspruchen die Feministinnen die Deutungshoheit. Sie und nur sie definieren, wann etwas Sexismus, Vergewaltigung und Patriarchat ist. Dieser Anspruch ist totalitär. Gefährlich wird so etwas nur, wenn diese Damen Macht haben. Aber das haben sie ja auch zuweilen. Es ist dieser Zusammenhang zwischen “Theorie” (vulgo: Sammelsurium) und daraus abgeleiteter uneingeschränkter Definitionshoheit, die das Problem darstellt. Das ist unfrei, sofern daraus Politik wird.

  13. Lusru says:

    @Christian – Alles Evolution says: October 1, 2014 at 10:46 am
    “Ob man Status als guter Jäger oder als Abteilungsleiter aufbaut ist eben nur eine andere Ausformung, es ist nicht von den alten Routinen frei”
    Könntest du das auch erklären, wie die “alten Routinen als Jäger” aus zigtausenden Jahren sich über diese Zeitstrecke in die Jetztzeit zum Abteilungsleiter “hinübergerettet haben sollen?
    Routinen sind Wiederholungen von zuerst einmaligen Handlungen, sind also ERWORBENE FÄHIGKEITEN und FERTIGKEITEN.
    Wie also sollten sich nur erwerbbare Fähigkeiten / Fertigkeiten evolutionstechnisch über diese Zeit weitergegeben haben?
    Hältst du etwa erwerbbare Routinen für vererbbar?
    Dies ist ein spannendes Feld der Wissenschaftler, auf dem bereits ein gewisser Dawkins jämmerlich mit seinem Meme eingebrochen ist.
    Allerneueste Erkenntnisse untersuchen jedoch, wie gentechnisch Anpassungen und Veränderungen stattfinden, allerdings steht bereits fest: Routinen sind nicht vererbbar, die muß sich jeder Mensch schon mit Fleiß nund Ausdauer selber erwerben.
    “Ob man Status als guter Jäger oder als Abteilungsleiter aufbaut ist eben nur eine andere Ausformung, es ist nicht von den alten Routinen frei” – Nein , das geht so leider eben nicht.

  14. Lusru says:

    @suwasu says: October 9, 2014 at 12:59 pm
    Von “systematisch” war nicht die Rede, auch nicht von “Systematik”, es war die Rede von “System” und “systemisch” – etwas cvöllig anderes als systematisch.
    Systematisch ist eine rein kultürliche, also von Mensch mechanistisch geordnete Angelegenheit, hingegen “systemisch” ist der sich in einem System selbstregulierende Vorgang, also ein eher natürlicher und deem Menschen kultürlich nicht zugänglicher Vorgang.
    Wer nun meint, der Feminismus sei “System”, denm sei gesagt: Nein, niemals, beystenfalls der Versuch einewr Systematik i.vorstehend benannten Sinne.
    Hier wurde wohl die gegenläufigen Begriffe System (eine sich selbst regulierende Natürliche Ganzheit mit Synergieeffekt) und Systematik (ein technokratische kultürlicher Versuch einer künstlichen menschgesteuerten Ordnung) verwechselt, und wer den Unterschied nicht resümiert, brauch mit einer Diskussion über Biologismus und erst recht über Selbstbestimmung nicht erst beginnen, ihm fehlt das einfachste Werkzeug dafür sowie die Ebene, auf der das diskutierbar ist.
    Die “Unfreiheit” des Feminismus besteht in dem Versuch seiner Einäugigkeit und Einbeinigkeit, die oft noch von diesem weder bemerkt noch begriffen werden, und der Antifeminismus hat das gleiche Problem, da alles, was er dem Feminismus vorwerfen will, leider seiner eigenen Phantasie und seinem eigenen “Innenleben” entspringt und entspricht, angefangen beim Anspruch auf Deutungshoheit und der beidseitigen oft vorangetragenen Unfähifgkeit und Unwilligkeit, die Argumentation mit dem anderen aufzunehmen oder der Fähigkeit, sie “systematisch” (!!!) stattfinden zu lassen.
    Da jedoch Gesellschaft, als soziales System (!!!) ein NATürliches und kein KULTürliches Phänomen ist, interessiert es sich nicht für solche Ansprüche auf Deutungshoheit sondern reguliert sich als offenes SYSTEM selbst, und die KULTürliche Existenz kann dies bestenfalls registrieren – wenn es das (noch) kann.
    Wer systemisch und systematisch in einen Topf wirft, ist bereits draußen, ihm fehlt die für seine Sicht erforderliche SYSTEMATIK.
    Selbstbestimmung wird versucht, als (rein) KULTürliche (menschlichem Willen und Handeln unterworfen) zu begreifen, ohne zu begreifen, daß dieser Vorgang selbst ein rein systemischer, also NATürlicher und den biologisch-existenziellen Funktionen untergeordneter Vorgang ist, der sich ausschließlich nach den systemischen Erfordernissen des biologischen und sozialen Systems (Ganzheit) Mensch richtet, das noch nicht gelernt hat, sich bewi der Selbstbestimmung von Mensch zuvor zu erkundigen …
    Selbstbestimmung ist ein Produkt der Materie und damit der biologischen Realitäten und nicht deren Ursache, auch wenn sich Einzelne das noch nicht so vorstellen können oder wollen.
    Damit ist “Selbstbestimmung” das typische Beispiel für Unfreiheit von Natur.
    So what?

  15. Lusru says:

    Gut @suwasu, OK, aber natürlich – all from the beginning lighter:

    Lusru says: October 11, 2014 at 11:41
    @suwasu says: October 9, 2014 at 12:59 pm
    Von “systematisch” war nicht die Rede, auch nicht von “Systematik”, es war die Rede von “System” und “systemisch” – etwas cvöllig anderes als systematisch.

    Systematisch ist eine rein kultürliche, also von Mensch mechanistisch geordnete Angelegenheit.

    Hingegen “systemisch” ist der sich in einem (komplexen) System selbstregulierende Vorgang, also ein natürlicher und dem Menschen kultürlich nicht zugänglicher Vorgang.

    Wer nun meint, der Feminismus sei “System”, denm sei gesagt: Nein, niemals, bestenfalls der Versuch einer Systematik i.vorstehend benannten Sinne.

    Hier wurden wohl die gegenläufigen Begriffe System (eine sich selbst regulierende NATürliche Ganzheit mit Synergieeffekt) und Systematik (ein technokratische kultürlicher und damit künstlicher Versuch einer menschgesteuerten Ordnung) verwechselt.

    Wer diesen Unterschied nicht resümiert, brauch mit einer Diskussion über Biologismus und erst recht über Selbstbestimmung und noch mehr über Feminismus nicht erst beginnen, da ihm das einfachste Werkzeug dafür fehlt: keine Ebene, auf der das diskutierbar ist.

    Die unterstellte und wohl auch gegebene “Unfreiheit” des Feminismus besteht in der versuchten Praxis seiner Einäugigkeit und Einbeinigkeit, die oft noch von seinen radikalen Befürwortern weder bemerkt noch begriffen werden.

    Der Antifeminismus hat das gleiche Problem, da alles, was er dem Feminismus vorwerfen will, leider vorrangig seiner eigenen ebenfalls bereits geprägten Vorstellungswelt und damit seinem eigenen “Innenleben” entspringt und entspricht.
    Angefangen beim Anspruch auf Deutungshoheit und der beidseitigen oft vorangetragenen Unfähifgkeit und Unwilligkeit, die Argumentation mit dem anderen aufzunehmen, bis hin zur Fähigkeit, sie “systematisch” (!!!) stattfinden zu lassen.

    Da jedoch Gesellschaft, als soziale “Ganzheit” (System !!!) promär ein NATürliches und nicht KULTürliches Phänomen ist, interessiert es sich nicht für solche Ansprüche auf Deutungshoheit, sondern reguliert sich als offenes komplexes SYSTEM selbst, und die KULTürlichen Existenzen können dies bestenfalls registrieren – wenn sie es (noch) können.

    Wer “systemisch” und “systematisch” in einen Topf wirft, ist bereits draußen, ihm fehlt die für seine Sicht erforderliche SYSTEMATIK.
    Es wird versucht, Selbstbestimmung als (rein) KULTürliche (menschlichem Willen und Handeln unterworfen) zu begreifen, ohne dabei zu begreifen, daß dieser Vorgang selbst ein primär systemischer, also NATürlicher und den biologisch-existenziellen Funktionen untergeordneter Vorgang ist, der sich ausschließlich nach den systemischen Erfordernissen des komplexen biologischen und sozialen Systems (Ganzheit) Mensch richtet.
    Dieses soll bekanntlich noch immer nicht gelernt haben, sich bei der Selbstbestimmung des Menschen vor der systemischen komplexen Ganzheitsentscheidungt zuvor systematisch zu erkundigen nach dessen Deutungshoheiten, auch wenn ein gewisser Dawkins Ähnliches versucht, mit seiner Kreation “Meme” (samt pseudo-“egoistischem Gen”) sogar als erblich zu verkaufen..…

    Selbstbestimmung ist Produkt der Materie und damit der biologischen Realitäten, und nicht deren Ursache. Sie findet bekanntlich weder ohne noch außerhalb von biologischer Materie einen Weg, sich zu realisieren.
    Auch wenn sich Einzelne das noch nicht so vorstellen können oder wollen.

    Damit ist “Selbstbestimmung” das typische Beispiel für Unfreiheit von Natur, besser: Für den etwas swehr naiven Trugschluss einer “Freiheit”, die bestenfalls sich auf Freiheit von der Deutungshoheit des Nachbarn erklären läßt.

    So what?
    (meintest du so?)

    • djadmoros says:

      Das ist aber ein ziemlich dogmatischer Kommentar!

      »Da jedoch Gesellschaft, als soziale “Ganzheit” (System !!!) promär ein NATürliches und nicht KULTürliches Phänomen ist«

      Ach ja, tatsächlich? Ich würde mal ganz spontan glattweg das Gegenteil behaupten!

      »Wer nun meint, der Feminismus sei “System”, denm sei gesagt: Nein, niemals, bestenfalls der Versuch einer Systematik i.vorstehend benannten Sinne.« und »Wer “systemisch” und “systematisch” in einen Topf wirft, ist bereits draußen«

      Man kann Ideologien als (symbolisches, Ideen-) System beschreiben und folglich auch den Feminismus, man kann soziale Bewegungen als soziales System beschreiben und folglich auch den Feminismus – je nach gesetztem analytischen Schwerpunkt.

      »Selbstbestimmung ist Produkt der Materie und damit der biologischen Realitäten, und nicht deren Ursache. Sie findet bekanntlich weder ohne noch außerhalb von biologischer Materie einen Weg, sich zu realisieren.«

      Ich nehme zur Kenntnis, dass Du Dir das offenbar so vorstellst, aber das ist kein wissenschaftlicher Konsens und vermutlich nicht mal einer innerhalb der Soziobiologie. Wenn Du damit jemanden überzeugen willst, musst Du schon ein wenig mehr liefern als nur Deine Überzeugungen zu deklamieren.

  16. Lusru says:

    @djadmoros says: October 11, 2014 at 12:33 pm
    Die Dogmatik des Artikels war es wohl, die mich bewog, etwas dazu zu sagen.
    Bestenfalls rufe ich also nun so aus dem Wald, wie es dorthin schallte, es ist jedoch nicht der Sinn und das Merkmal meiner Meinung.

    Mensch, als biologische Ganzheit entstanden, ging diesen evolutionären Weg nur aufgrund der kooperativen (mutualistisch funktionierenden, auch symbiotischen) Sozialisierung in seiner ART.
    Manche reden auch vom (Natur-)”Gesetz der gegenseitigen Hilfe”.
    Man kann sagen, der Mensch ist grundsätzlich nur als soziales Wesen existenzfähig und damit “in und als Gesellschaft” NATürlich installiert”.
    Neueste Forschungen im Bereich der Gene belegen dies (J. Bauer) und verwerfen die populistischen Theorien des Dawkin mit seinen angeblichen “egoistischen Genen” und von ihm in die Welt gedachten “Meme”
    Die Gesamtheit der Menschen, die Menschheit, ist die menschliche Gesellschaft, eine soziale Ganzheit, die sich ausschließlich als komplexes System seiner sozialen Subsysteme Mensch erklärt.
    Das ändert nichts daran, daß es auch dort auch sich UNTERSCHEIDENDE und differenziert ausgeformte gesellschaftliche Komponenten als Gesellschafts-Subsysteme gibt.

    Damit sind die – ebenfalls komplexen – biologischen Systeme Mensch gleichzeitig die gesellschaftlichen Subsysteme, die sowohl biologischen wie sozialen Komponenten der jeweiligen Ganzheit Gesellschaft.
    Das Wesen von Gesellschaft wird primär daraus gebildet und ist deshalb als solches in seiner Existenz von Selbstbestimmungen aller Art unabhängig, “frei”, da insofern von NATürlicher Erscheinung, nicht menschgemacht.

    Die Gestaltung des Systems Gesellschaft ist etwas anderes, erst sie erfolgt KULTürlich, nachdem die Existenz gegeben ist.

    Wenn ich dich nun verstanden habe, möchtest du das “glattweg” anders sehen.

    Was alles ein “System” sein kann, interessiert sachlich nur im Sinne der Allgemeinen Systemtheorie des Multiwissenschaftlers von Bertalanffy, der dies als erster und mit bisher bleibender Nachhaltigkeit in großer Allgemeingültigkeit wissenschaftlich formulierte.

    Trotz vieler weiterer Versuche, System zu beschreiben, sind die meisten gescheitert oder ohne wissenschaftliche Andockkompetenz, im Besonderen die “frei von Mensch” und “operationell geschlossen” dahindümpelnde Luhmannschen Vorstellungen vom System seiner Zettelkästen, in denen er zwar System nicht mal beschreiben konnte, aber das “Theorie” nennt.

    Wer nun das Verständnis von sekundären und tertiären Anwendungsbereichen des Begriffes System (z.B. als Lehre, Methode o.ä.) bereits als seine einzige oder ursächliche Deutung sieht, praktiziert den Fachdogmatismus übertragend auf das Allgemeine.
    Ich ziehe es vor, umgekehrt und damit flexibel vorzugehen und erst die allgemeinen Merkmale eines Systems zu prüfen, um die Relevanz der weiteren Verwendung des Begriffes im Sinne des Ursprunges (griech.) vorab festzustellen.
    Das Wichtigste Merkmal eines Systems sind z.B. seine Grenzen (wodurch es, sich von anderem unterscheidend, überhaupt existiert) und seine Schnittstellen.
    Wo z.B. wären das beim Feminismus zu finden??

    Sicher kann man Ideologien als Systeme versuchen(!) zu beschreiben, wie richtig bemerkt aber nur als “symbolisches”.
    Auch den “Feminismus”- allerdings dann ausdrücklich nur als Ideologie, als (ab)geschlossenes Meinungsbild, und damit als nicht unter offenen Systemen (wie das soziale immer sind) erfolgreich austragbares System.

    Ansonsten hast du das erstaunlich gut erfaßt:
    Ja, so stelle ich mir das mit der Materie, bestehend aus Masse, Energie und Information, tatsächlich vor.
    Ob das ein “wissenschaftlicher Konsens” sei, wurde von mir nicht gesagt, allerdings daß es ein schlecht “von der Hand zu weisendes” wissenschaftliches Denkmodell sei, meine ich schon.

    Leider habe ich, da du die Frage einer Wissenschaftlichkeit ansprichst, von dir kein Argument dagegen gefunden, sondern halt nur Behauptungen, die, nicht ganz geklärt, wohl etwas zu deinen Vorstellung sagen sollen.

    Falls dir nun die Information als immanenter Bestandteil von (jeder) Materie Stirnrunzeln verschafft, kannst du ja schon mal ausdrücken, was für dich eine Struktur ist, wo die sich auffhält in einer Energie oder Masse, damit diese sich unterscheiden von anderen …

    Damit bleibe ich dabei:
    Selbstbestimmung ist auch nur – als (hochkomplexe systemische) Struktur und strukturelles Agieren – immanenter Bestandteil der als offene komplexe Systeme existierenden organischen (biologischen!) Materie Mensch, wo es allein Unterschiede (Information) schaffen, erfassen und reagierend bearbeiten kann, als die wesentlichste Komponente sozialer Bedingtheit und Interaktion, als wichtige Triebkraft der menschlichen Evolution und damit jeder Bewegung, Veränderung und KULTürlichen Erscheinungen.

    Es ist schon ein Kreuz mit dem lapidar erwähnten Biologismus, der nichts damit zu tun hat, daß grundsätzlich – so es um Mensch und Gesellschaft und die belebte Materie geht – die Biologie als Hochform der physikalisch-chemisch-energetischen komplexen sytemischen Phänomalität und deshalb als die Grundlage z.B. allen (!!) Menschseins anzuerkennen.
    Biologismus ist das als strapazierendes Dogma mechanistisch betriebene Gegenteil dieser Betrachtung.

    Gern kannst auch du “etwas mehr liefern”, als das, was du bisher für dich behalten hast.

  17. Pingback: Robert Trivers zur Selbsttäuschung | Alles Evolution

  18. Lusru says:

    @suwasu meint doch hier ernsthaft dieses:
    “Doch davon abgesehen gehört es zur philosophischen Reife, anzuerkennen, dass Individuen eben selber bestimmen wollen, wer sie sind und was ihre Motive sind.”
    Das wirft gleich etliche Fragen auf:
    – von welchem Verständnis von Philosophie wird ausgegangen?
    – von welcher Vorstellung von Reife?
    – von wessen Reife soll die Rede sein?
    – Wer ist in diesem Verständnis Individuum?
    – Was versteht der Autor unter “Experten”? Nur sich selber bzw. das / ein Individuum oder eben: Einen EXPERTEN?
    – Was soll denn ein Individuum in welchem Umfang / Rahmen selbst bestimmen, ob es den Mond oder den Bordstein abschafft oder ob andere nicht mehr auf die Toilette gehen oder man selber nur noch mit der linken Gehirnhälfte denkt und das Fühlen dem Nachbarn überläßt usw.usw.???
    – Bitte wie soll das vor sich gehen (und wo), dass ein Individuum selber bestimmt, wer oder was es ist (Männlein oder Weiblein, Groß oder klein, blond oder kahl, schlau oder deppert, König oder Präsident, Eignung für Hochsprung oder Musiker, guter oder böser Mensch usw.usw.??

    Angesichts dieser wohl nicht beantwortbaren Fragen zeigt sich das undurchdachte, reichlich naive und Parolenhafte solcher Denkweisen, die “absolute Selbstbestimmung” als Maß der Dinge wider die Natur der (eigenen) Biologie und (eigenen) soziologischen Einbindung in Gesellschaft und (eigener) lokaler Verortung betrachten möchten, ohne sich auch nur geringste Kenntnisse bzw. Verständnisse zum “Funktionieren” von Mensch als kompleyes dynamisches biologisches UND soziales System beschafft zu haben.
    Jeder Mensch kann nur in SEINER systemischen (biologischen wie sozialen) Ganzheit, Verbundenheit, reagieren, sowohl körperlich wie geistig und das auch nur in beider untrennbarer systemischen Verbundenheit – was bei jedem Individuum zu anderen Voraussetzungen und anderen Möglichkeiten führt und keiner Verallgemeinerung zugänglich ist, erst recht keiner Paroleritis, wie
    “Doch davon abgesehen gehört es zur philosophischen Reife, anzuerkennen, dass Individuen eben selber bestimmen wollen, wer sie sind und was ihre Motive sind.”

    Wer mehr dazu erfahren möchte, darf sich bei einem Fuchs schlau machen, bei
    Professor Thomas Fuchs, Karl Jaspers-Professor für Philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsklinik in Heidelberg (heidelberg):
    “Hirnwelt oder Lebenswelt? – Zur Kritik des Neurokonstruktivismus”,
    DZPhil, Akademie Verlag, 59 (2011) 3, 347–358

    Click to access Hirnwelt_Lebenswelt.pdf

    oder im Systemmagazin” unter:
    http://systemagazin.com/hirnwelt-oder-lebenswelt-zur-kritik-des-neurokonstruktivismus/

    Bei dieser Gelegenheit kann man sich gleich noch das wissenschaftliche Geländer besorgen zu der auch vom Autoren aufgeworfenen Frage, ob “wir existieren” oder “alles nur in unserer geistigen Virtualität sich vorstellt”, wo stets immer auch die simple Frage bleibt, wo und wie dann nun diese “unsere geistige Virtualität existiert”, oder ob auch diese demnach nur eine Eingebildung ist, was spätestens dann geklärt ist, wenn man mit dem Hammer mal kräftig auf einen (eigenen!) Daumen haut, was in der Tat rundum dann nur eigene Selbstbestimmung wäre.
    Der “fuchsige” Artikel, der in der Deutschen Zeitschrift für Philosophie, Akademie-Verlag 2011 veröffentlicht wurde, ist auch als pdf zum “lesen to go” herunterladbar und sortiert excellent den mächtigen Einfluß der Biologie als die Wissenschaft von den komplexesten dynamischen Systemen, den lebenden, gegenüber dem mechanistischen Biologismus wie auch gegenüber dem Populismus des Neorokonstruktivismus, auch für einfach gestrickte Gemüter gut verständlich.

    • suwasu says:

      Es wäre schön, wenn Du Dich mal dem Thema selbst widmen würdest. Akademische Riten tragen letztlich wenig dazu bei, ein politisches Problem zu klären.

  19. Lusru says:

    @suwasu says:November 3, 2014 at 10:03
    “… wenn Du Dich mal dem Thema selbst widmen würdest. Akademische Riten tragen letztlich wenig dazu bei, ein politisches Problem zu klären.”
    Gern!
    Wo ist es denn, das POLITISCHE Problem?
    Bisher las ich, “Individuen können selbst bestimmen, wer sie sind” – was weder biologisch, noch medizinisch, noch soziologisch zutrifft, weder für noch gegen Biologismus verwendbar ist und mit Politik bestenfalls so viel zu tun hat, als daß es eine etwas substanzlose Paroleritis kennzeichnet, die frei von logischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen ist und deren agitatorische Verwendung ihre Blütezeit im vorigen Jahrhundert hatte.
    Eventuell kannst du kurz benennen, wo hier das “politische Problem” zu finden sein kann, das es zu klären gelten könnte.
    Insofern war mein Kommentar sowohl ein Versuch, ein solches zu finden und zu benennen, oder besser: zu prüfen, was vor einer politischen Problemstellung an grundsätzlicher Fachlichkeit einzuhalten ist, um so das Ticket zum Mitspielen zu erwerben, das dich jedoch gar nicht erst interessiert, Beweis:
    “Mir ist es im Alltag gleich, was irgendwelche Biologen über das Verhalten behaupten”
    “Irgendwelche Biologen” sind Fachleute für die komplexesten dynamischen Systeme, die es gibt: Den Menschen – und solche “Fachleute” meinst du, sind unwichtig für (nicht die wichtigsten, aber die unfangreichsten) sozialen Probleme – dieses Menschen – die es gibt: die politischen.
    Wer nicht weiß, wie ein Fahrzeug zu bedienen ist, sollte sich der Unterrichtung darüber enthalten.
    Nebenher:
    Dein gesamter Text entspricht eher und deutlicher dem Versuch, “Akademische Riten” zu schwingen, denn politisch zu argumentieren, es sind leider untaugliche weil zu sehr gestrige Riten (Sprach- und Denkrituale), die du dafür benutzen möchtest, DESHALB MEIN Kommentar …
    Selbstbestimmung und Anspruch auf Individualität:
    Es gibt in der biologischen Welt weder “Normen” noch vollständige Unabhängigkeiten.
    Und wer etwas über “Anlagen” in Genen erfahren möchte, dem dürfte es für das Erste reichen, sich über / in “das kooperative Gen” von Joachim Bauer kundig zu machen, bevor (!) man sich dazu publizierend äußert, und sollte sich dabei nicht von dem Politbiologen Dawkins mit seinem angeblichen und durch keinerlei Wissenschaft nachweisbarem “egoistischen Gen” beeindrucken lassen.
    Alles, was du hier in deinem Text anführst, behandelt Joachim Bauer – nur er erklärt es dir auch, als Biologe wie als Philosoph, und nicht als Politbiologe sondern als politisch denkender Biologe.
    Geh an die Arbeit, es ist deine Freude, die du dir als freies Individuum selber machen kannst.

    • suwasu says:

      Bislang erlebe ich Dich nur arrogant-belehrend, ohne dass aber eine Lehre daraus ersichtlich wird. Das finde ich auf Dauer einfach zu wenig nützlich.

      ““Irgendwelche Biologen” sind Fachleute für die komplexesten dynamischen Systeme, die es gibt: Den Menschen – und solche “Fachleute” meinst du, sind unwichtig für (nicht die wichtigsten, aber die unfangreichsten) sozialen Probleme – dieses Menschen – die es gibt: die politischen.”

      Biologen sind KEINE Fachleute für den politischen Sektor. Genau dafür haben sie keine Erklärungen. Sie können eigentlich nur erklären, was sich letztlich immer wiederholt und gesetzesförmigen Charakter hat, also im Sinne von Naturgesetzen. Die innerhalb dieses Rahmens mögliche Varianz können Biologen daher nicht erfassen, sie können sie nur als Rauschen wahrnehmen. Erklären können sie diese Varianz nicht, sondern nur deren generelle Möglichkeit. Deshalb kann die Biologie zu politischen Fragen gar nichts beitragen.

      Zweitens sind Fachleute deshalb zweitrangig für die Entwicklung einer politischen Bewegung, weil es in solchen auf die Formulierung von Standpunkten angeht, von Veränderungsprojekten. Zur Durchsetzung dieser Projekte organisiert man sich und legt eine Strategie fest. Für real-politische Veränderungen sind Diskurse über “Willensfreiheit” oder “Gene vs. Kultur” nicht nützlich, denn das sind akademische Diskurse über Theorien. Für den politischen Zusammenhang braucht man dagegen eher: ein Veränderungsprojekt, eine Strategie der Durchsetzung, eine Organisation und Zuständigkeiten. Nur so kann man wirklich etwas erreichen. Die Formulierung von Standpunkten übrigens ist menschheitsgeschichtlich älter als die Wissenschaft ^^.

      ““Individuen können selbst bestimmen, wer sie sind” – was weder biologisch, noch medizinisch, noch soziologisch zutrifft”

      Natürlich ist das Individuum nicht autark, nicht unabhängig, es ist kontextgebunden, körperlich, sozial usw. Dennoch muss der Einzelne nicht erst Autoritäten fragen, um darüber nachzudenken, was seine Identität und was seine Wünsche sind. Diese kann ein Individuum für sich selbst herausfinden. Dazu braucht man gewiss keine Wissenschaftler, auch wenn man sie gern zu Rate ziehen kann.

  20. Lusru says:

    Es tut mir leid, wenn du mich als “belehrend” auffasst, ich kommentiere nur, nur wie sollte die von dir vermißte “Lehre” anders sich zu erkennen geben?

    “Biologen sind KEINE Fachleute für den politischen Sektor”
    Korrekt, das stimmt.
    Wer ist Fachleut für den “politischen Sektor”?
    Politiker auch nicht, sie sind nur die Werkzeuge.
    Davon abgesehen, woher stammt diese Bemerkung, die du ablehnst?
    Von mir nicht, ich sprach von Menschen, die ni9cht nur ich für außerordentlich komplexe dynamische Wesen, organische Ganzheiten, halte, und dafür kann ich mir etliche “Fachleute vorstellen.
    Wenn mich nicht alles täuscht, ist Politik, der “politische Sektor wie du dazu sagst, kein Gegenstand an sich, sondern lediglich das Werkzeug eben dieser Menschen zur Artikulation und Vertretung / Wahrung / Durchsetzung ihrer Ansichten, Meinungen, Interessen, und zwar öffrentliches Werkzeug, da es sonst nichts mit polis zu tun hat.

    Den “politischen Sektor”, ein Surregat menschlichen Lebens, bedingt durch die unabänderliche (biologisch vorgegebene) soziale “Installation” (gesellschaftliche Bindung) eines jeden einzelnen Menschen, gibt es nur als “Verabredung” zwischen Menschen, so daß deren grundsätzliche funktionelle Daseinsweise wie ihre individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten, ihre diesbezüglichen Techniken und Technologien letztlich das prägen, was wir so als Politik begreifen wollen.

    Ich denke mal, dafür gibt es sehr wohl einen ganzen Sack voller Fachleute, zu denen zumindest Politiker (leider) nicht gerechnet werden können – oder eben sehr selten
    Diese Leute müssen nicht Politik erklären oder “lösen”, sondern artikulieren, was die Grundlagen dafür sind und was wie die Funktion von Mensch darin ist.

    “Die innerhalb dieses Rahmens mögliche Varianz können Biologen daher nicht erfassen” – was weder behauptet wurde, noch in dieser Form von Bedeutung ist.

    Politisches Denken und Handeln findet weder im “luftleeren” noch im “biologisch freien” Raum statt, sondern ist eine deirekte Emergenz, ein Systemeffekt in dem hochkomplexen dynamischen biologisch-sozialem System Mensch, sowie dito in dem hochkomplexen sozialen System Gesellschaft, der ohne diese beiden systemischen Ganzheiten weder überhaupt noch gegen den jeweiligen Charakter solcher Systeme, gegen deren “Selbstverständnis” möglich ist.

    Dies zu verstehen und zu akzeptieren bedingt, sich generell in den Bedingungen, die dynamische hochkomplexe, besonders organische (lebende) Systeme erfordern, um erxistieren zu können, um innere wie äußere Ressourcenverteilungen und -Austausche systemsichernd bwerkstelligen zu können, etwas auszukennen.

    Der berühmteste und bisher unbestrittene “Fachmann” für Struktur, Existenz und Sicherung solcher komplizierten organischen Systeme ist der internationale Systemforscher, Biologe, Philosoph Prof. von Bertalanffy, der dazu (!) mit seinem internationalen Stab die Bedingungen erforschte, erkannte und formulierte, die JEDES System erfordert, wenn es existieren soll, gleich ob ein physikalisches, ein chemisches, ein komplexes Physikalisch-chemisch-organisches (biologisches) oder ein soziales System – wohlgemerkt: er machte keinen Biologismus sondern erstellte und beschrieb die Bedingungen für jedes System in der Allgemeinen Systemtheorie.

    Politik gegen Systemgesetzmäßigkeiten, also existenzielle Bedingungen von komplexen dynamischen Systemen sind im günstigsten Falle nutzlos und im gefährlichsten Falle tödlich für die betroffenen Systeme.

    Es könnte sein, daß dies der Hintergrund für meine, trotz etwas schweifigen, Kommentare (wir kennen uns nicht!) ist, wozu Du dann einfach meinst, das sei nur “nur arrogant-belehrend, ohne dass aber eine Lehre daraus ersichtlich wird”.
    Nein, eine “Lehre” für politisches Verhalten, das ausschließlich systemisches Verhalten ist und nur als solches verständlich wird, geben nur “führende Rollen”, “auserwählte Völker”, Diktatoren und einfältige Politiker mit den aus der Geschichte bekannten Entgleisungen durch systemischen Untergang (Implosion / Explosion / Annexion) heraus.

    So, wie der Seefahrer nicht unmotiviert gegen den Wind “kreuzen” kann sondern ein Handwerk dazu kennen und können muß, so erfordert auch “soziales Regeln” (politisches Handeln, als systemisches Ordnen) entsprechende Grundkenntnisse in der politischen “Seefahrerei”, die auch ohne Wind und Wasser, ohne Schiff und Energie, vor allem ohne Mensch nicht stattfindet:
    Das beteiligte System / die beteiligten Systeme und ihre prinzipiellen Daseins- und Funktionserfordernisse, ableitbar aus der Allgemeinen Systemtheorie, müssen eben bekannt sein.

    “Zweitens sind Fachleute deshalb zweitrangig für die Entwicklung einer politischen Bewegung, weil es in solchen auf die Formulierung von Standpunkten angeht, von Veränderungsprojekten.”
    Das ist etwas sehr überheblich und naiv zugleich formuliert:
    Eine “politische Bewegung” ist grundsätzlich eine systemische Reaktion (nicht: Aktion) auf orhandene Systembeschaffenheiten, welcher Art auch immer. Sind sie nicht so einordenbar, sind sie eventuell “Bewegungen”, aber keine politischen, weil keine systemischen.
    “Bewegungen” eines Systems oder in einem System sind grundsätzlich permanent erforderlich, sie sichern den zum Bestand des Systems und seiner Grenzen und Merkmale erforderlichen Austausch von Massen, Energien und Informationen als Reaktion auf Veränderungen, die das System beeinträchtigen oder gefährden.
    Ist genau dies das Ziel solcher Bewegungen, setzt das die allgemeine Funktionsgefährdung des Systems (oder seiner Teile, Subsysteme) bei Nichthandeln voraus. Anderenfalls wird das System als funktionstüchtige Erscheinung zwingend die Abwehr solcher Bewegungen herbeiführen oder den eigenen Untergang akzeptieren müssen.

    An diesem kleinen Beispiel ist bereits ersichtlich, welche entscheidende Rolle damit “Systembedingungen” und deren Grundsätzlichkeiten spielen, BEVOR menschliche Denk- und Absichtshandlungen überhaupt ihre eigene systemische Reife für Veränderungen und diesbezügliche erforderliche systemische Analysen und fehlerhafte Beschaffenheiten erkennen können.

    “Zur Durchsetzung dieser Projekte organisiert man sich und legt eine Strategie fest.”
    Leider nein, das ist keine Politik sondern Aggitation und Propaganda, nutzlose, denn weder “man” kann “sich” organisieren, noch aus deem Daumenlutschen die erforderliche Strategie “festlegen” – das können nur solche komplexen biologisch-soziale Systeme, wie Mensch, sofern sie die Lage (ihre und die des Systems) sachlich zweckmäßig (systemisch) bewerten können.
    adäquat, damit “Bewegung” selber zum (eigenen) System wird, mit allen (!)existenziellen Bedingungen die das erfordern, die man dazu wohl zunächst kennen müßte, bevor diese organisierbar werden…..

    “Dennoch muss der Einzelne nicht erst Autoritäten fragen, um darüber nachzudenken, was seine Identität und was seine Wünsche sind.” – Wo wurde denn das gesagt?
    Um nachzudenken brauch Mensch nur seinen (!) Denkapparat in Bewegung (!) setzen, und was seine Identität betrifft, hat zum Teil die Natur und die soziale Umwelt bereits längst vieles geordnet, so daß die nur aus diesen Systemem (!) stammenden Wünsche samt Erkennung (nicht Herstellung) der eigenen Identität als Eigenleistung übrigbleiben.
    Richtig, dazu (!) braucht es KEINE Wissenschaftler, das kann / sollte jeder selber.
    Nur wer solche systemischen Prozesse hin zu politischen Bewegungen beeinflussen möchte, ist eher gut beraten, das Beispiel von der Seefahrerei ernst zu nehmen.

    Und nochmals:
    Wo und wieviel in etwa bei Mensch die Biologie eine maßgebliche Rolle bis in das soziologische (z.B. politische) Verhalten von Mensch spielt, spielen sollte oder verspielt, das kann man gut bei Joachim Bauer erklären lassen: “Das kooperative Gen”, mit Hinweisen, wo und wie “Selbstbestimmung” entsteht und erklärt werden kann, ohne im “Biologismus” zu versumpfen.

    Danke, wenn du bis hier dabei geblieben bist, das ist schon eine halbe Miete für eine bewohnbare und bewegungsfähige Behausung.

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